Hormone sind wohl etwas, von denen viele Transsexuelle träumen. Irgendwie scheinen viele zu glauben, Hormone, OP und alles ist perfekt. Dass es so leicht nicht ist, wird gern übersehen.
Hormone sind ein ziemlich großer Schritt und absolut kein leichter – sowohl von bürokratischer Seite aus, als auch von emotionaler. Ich werde erst einmal auf das “Wie bekomme ich Hormone?” eingehen, danach werde ich drüber berichten, wie sie bei mir gewirkt haben.
Seit Ende 2012 befinde ich mich in therapeutischer Behandlung. Etwa alle zwei Wochen treffe ich meine Therapeutin, vor allem, um mit Belastungen durch meine Transsexualität besser fertig zu werden. Zwar hab ich viel Glück mit meinem Umfeld und nur selten mit Diskriminierung zu kämpfen gehabt, dennoch halte ich die Entscheidung, Therapie zu nehmen, für richtig. Nicht nur das – durch die Therapie erst habe ich überhaupt Hormone bekommen.
Bei der Suche nach Therapeuten ist es auch wichtig, nachzufragen, ob sie mit Transsexuellen bereits Erfahrung haben. Haben sie es nicht, besteht die Gefahr, dass sie sich schwertun, sich in unsere doch eher speziellen Probleme hineinzudenken. Andere Transsexuelle in eurer Gegend oder Trans*-Stammtische können euch meistens bei der Suche helfen.
Die Therapie selbst lief dabei nicht so ab, wie ich es erwartet hatte, was jedoch auch daran lag, dass mir nicht bewusst war, dass es einen Unterschied zwischen Menschen, deren Titel auf “-therapeut” endet und Psychologen gibt. Die Therapie war mehr eine Unterhaltung mit fachkundigen Ratschlägen, weniger ein “Ich erzähle jemanden meine gesamte Geschichte im Schnelldurchlauf” – letzteres und damit verbunden Psychologen spielten jedoch bei der Namens- und Geschlechtszugehörigkeitsänderung eine wichtige Rolle. Achtet übrigens auch auf die verschiedenen Titel von Therapeuten. Ich weiß, dass meine Therapeutin eine Psychologische Psychotherapeutin ist und dass das ein Titel war, der zu meinen Bedürfnissen passt. Was die einzelnen genauen Bezeichnungen bedeuten, lässt sich normalerweise leicht recherchieren.
Im Laufe der ersten Hälfte von 2013 deutete ich gegenüber meiner Therapeutin an, dass ich durchaus Interesse daran hätte, Hormone zu nehmen, mir aber über die Wirkungen unklar sei. Sie empfahl mir, einfach mit den örtlichen Endokrinologen (Hormonärzten) Kontakt aufzunehmen, um dort nachzufragen und Untersuchungen zu initiieren. Sie würde Hormone jedenfalls befürworten. Gesagt getan, machte ich einen Termin aus, ließ mich über die Möglichkeiten aufklären und ließ direkt noch etwas Blut zwecks Untersuchung dort.
Ich musste nun etwas abwarten, bis die Ergebnisse des Tests da waren und erfuhr telefonisch, dass sie positiv ausgefallen waren. Ich solle einen neuen Termin abmachen und dann ein Indikationsschreiben meiner Therapeutin mitbringen – ein Schreiben also, in dem sie bestätigt, dass sie eine Hormontherapie für angemessen hält. Meine Therapeutin stellte mir also die Indikation aus und ich ging damit erneut zu meiner Endokrinologin. Dort bekam ich dann im Wesentlichen im Austausch das Rezept, mit dem ich bei einer Apotheke nach Wahl die beiden Medikamente, Testosteronblocker und Östrogenersatz, bekommen konnte. Gut, die Medikamente müssen jedes Mal bestellt werden, aber das dauert meist ja nur wenige Stunden. Kostenpunkt: 10-20 Euro oder so. Ich brauche etwa alle eineinhalb Monate neue Medikamente, also sind die Kosten echt vertretbar.
Wichtig war mir in diesem Zusammenhang: Die Hormone machen zeugungsunfähig. Wie lange es dauert, bis diese Nebenwirkung eintritt, kann niemand genau sagen, dies ist von Person zu Person unterschiedlich. Da ich jedoch gern irgendwann eigene, leibliche Kinder hätte, habe ich Samen (kryo-)konservieren lassen, bevor ich angefangen habe, die Hormone einzunehmen. Hier in Karlsruhe gibt es dafür mindestens eine Praxis, die sich auf das Thema “Kinderwunsch” spezialisiert hat und auch Kryokonservierung anbietet. Die Kosten hierfür sind relativ hoch, unter anderem auch eine jährliche Lagergebühr im niedrigen dreistelligen Bereich, aber mir war es das wert.
Aber natürlich haben die Hormone noch andere Wirkungen außer Zeugungsunfähigkeit. Ich kann und will hier nicht abschließend zu diesem Thema aufklären, wendet euch also an einen Endokrinologen, wenn ihr abgesicherte Informationen wollt.
Zuallererst wurde ich mit einer Nebenwirkung der Hormone vertraut gemacht, die mich in abgeschwächter Form bis heute begleitet (und die ich in der aktuellen Form nicht mehr als Nebenwirkung betrachtet): Die neue Emotionalität. Im ersten Monat war meine Dosis an Testosteronblockern so hoch, dass mein Testosteronlevel nah am Minimum war und ich reagierte auf viele Dinge plötzlich unglaublich übertrieben, obwohl ich mir dem bewusst war. Eine Reduzierung der Dosis der Blocker hat soweit Abhilfe geschafft, dass ich damit wieder ganz gut leben kann, emotionaler und sensibler bin ich aber auf jeden Fall weiterhin.
Tatsächlich führte das ganze so weit, dass das Adrocur, welches ich als Testosteronblocker verschrieben bekam, bei mir eine Depression auslöste, die sich schleichend entwickelte und immer schlimmer wurde. Durch einen Wechsel des Medikaments, konnte ich die Depression überwinden. Ich nutze mittlerweile Utrogest.
Eine andere psychische Auswirkung, die ziemlich früh spürbar wurde, war, dass ich eine Art Soziophobie oder Platzangst entwickelte. Ich kann bis heute nicht genau sagen, was es nun war. Wenn ich jedoch auf engem Raum mit vielen Menschen, insbesondere mir unbekannten Leuten, war, dann bekam ich Panik. Es war weder die Enge selbst noch die Fremden, es war, glaube ich, die Kombination. Richtig einschätzen, in welchen Situationen es auftreten würde und ich welchen nicht, konnte ich aber nie. Irgendwann hatte ich dieses Phänomen ziemlich gut im Griff, an schlechten Tagen blieb es aber weiterhin spürbar. Durch den Wechsel des testosteronblockenden Medikaments verschwand das Problem vollständig.
Was ich erst im laufe der Hormonbehandlung bemerkte, war, dass mein Zahnfleisch empfindlicher wurde – genauer gesagt merkte ich dies erst nach mehreren Monaten, mein Zahnarzt hat es aber auf die Hormone zurückgeführt. Zu kämpfen hatte ich zu dem Zeitpunkt schon länger mit Zahnfleischbluten, aber ich kann nicht mehr sagen, wann genau es denn nun anfing.
Die Hormone hatten auch deutliche Auswirkungen auf meine Libido. Ich habe diesen Auswirkungen einen eigenen Artikel gewidmet.
Bei mir war die erste spürbare körperliche Änderung ein Ziehen in der Brust, welches das Brustwachstum einleitete. Es hat allerdings insgesamt einige Monate gebraucht, bis ich eine Größe erreichte, die für meine Brusteinlagen obsolet machte. Diese Größe lag allerdings auch schon zwischen A und B.
Etwas später bemerkte ich auch, dass ich anfing, ein bisschen Taille zu entwickeln und ich hab den Eindruck, dass das Haarwachstum am Körper (nicht im Gesicht und nicht auf dem Kopf) etwas nachgelassen hat.
Mittlerweile sagen mir einige Menschen, die nur unregelmäßig Kontakt zu mir haben, mein Gesicht sei “weicher”, femininer geworden. Ich selbst kann das weder bestätigen noch dementieren, die Entwicklung war zu schleichend und zu subtil, als dass ich sie selbst bemerkt hätte. Ich finde aber schon, mein Gesicht wirkt anders als auf alten Bildern.
Was Hormone nicht machen können, ist zum Beispiel das Kreuz schmaler. Das Skelett ist halt nach der Pubertät ausgewachsen, da tut sich nichts mehr, auch nicht mit Hormonen. Fette können sich umverteilen, dadurch kann beispielsweise das Gesicht weiblicher wirken, aber die grundlegende Knochenstruktur kann sich nicht mehr ändern.
Auch die Stimme wird von Hormonen nicht beeinflusst, zumindest nicht in Richtung Mann zu Frau. Ein Stimmbruch kann nicht einfach rückgängig gemacht werden, dafür muss schon Logopädie her. Anders sieht’s natürlich in Richtung Frau zu Mann aus, dort kann es zu einem Stimmbruch kommen, aber in der Richtung kenne ich mich letztlich nicht wirklich gut aus.
So, ich denke, das ist das wichtigste zum Thema Hormone. Falls ich etwas vergessen habe, werde ich es hier updaten. 🙂
Alina
Hi Alina
ich bin zwar nicht Transsexuell aber leide unter zu hohen Testosteronwerten im Blut.Mir wurde die Pille verschrieben aber ich habe auch schon oft was über Testosteronblockern gelesen und jetzt eben nochmal in deinem Blog.Sind diese Testosteronblocker alle rezeptpflichtig oder kannst du mir was empfehlen..ich würde ungern die Pille nehmen..vertrage sie nämlich nicht so gut.Habe auch schon gehört dass man diese durch Testosteronblockern ersetzen kann.Du klingst in deinem Blog ziemlich erfahren und deshalb frage ich dich.
LG
Felicia
Hallöchen Felicia!
Hm, schwierige Frage. Die Testosteronblocker, die ich bisher genommen habe, waren alle rezeptpflichtig, ob es da rezeptfreie Alternativen gibt, weiß ich daher nicht so richtig. Aber allgemein kann ich zu Hormonpräparaten aus meiner Erfahrung folgendes sagen: Verträglichkeit kann teilweise von Medikament zu Medikament gewaltig variieren. Vielleicht kannst du dir mal eine andere Pille verschreiben lassen? Ohne mit der Pille selbst Erfahrung zu haben, habe ich recht oft gehört, dass neuere und ältere Generationen der Pille offenbar sehr unterschiedliche Nebenwirkungen haben.
Aber: Ich bin keine Medizinerin. Alles, was ich hier jetzt sagen konnte, ist mehr oder weniger ein Schuss ins Blaue. Spricht in deinem Fall etwas dagegen, deine Probleme mit ÄrtzNinnen zu besprechen? Sonst würde ich am ehesten dazu raten.
Ich hoffe, ich konnte damit trotzdem irgendwie helfen.
Hallo 🙂
Also Androcur hatte Gott sei dank keine Auswirkung auf mich in Sachen Depression. Dafür knappe 12 Kg zugenommen 😉 wobei ich mag es, ein paar Kilos mehr auf den Hüften zu haben.
Ansonsten sehe ich mich eigentlich in deiner Entwicklung wieder. Das heißt, eigentlich sehen die meisten Veränderungen die Leute, die ich eher selten treffe.
Liebe Grüße, Michaela