Das letzte Jahr

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Depression, Suizidgedanken, Tod

Ein Jahr.

Ein Jahr ist es schon wieder her, seit ich zuletzt etwas hier geschrieben habe. Nicht zum ersten Mal. Und trotzdem besuchen immer noch immer wieder Menschen diese Seite und lesen, was ich so schreibe. Vielen Dank dafür!

Ein Wort der Warnung: Die Contentwarnings beschreiben ja schon, worum es grob gehen wird, aber ich möchte noch einmal betonen, dass ich auf viele Aspekte der genannten Themen sehr offen eingehen werde. Ich weiß, dass das für einige Menschen sehr anstrengend sein kann.

Wer mir auf Twitter folgt, weiß, dass 2016 für mich ein anstrengendes Jahr war. Ich würde gern vorne anfangen, aber ich weiß ehrlich gesagt gar nicht mehr so genau, was überhaupt in der ersten Jahreshälfte passiert ist. Um es mit einem Bild zu beschreiben: Stellt euch einen bewölkten Himmel im Winter vor. Keine weißen, flauschigen Fluff-Wolken, keine bedrohlich schwarzen Gewitterwolken, sondern ein grau in grau in grau, soweit das Auge sieht.

Mit etwas mehr ernst und dafür weniger Melodramatik: Rückblickend kann ich kaum noch einzelne Tage benennen, an denen besondere Dinge passierten. Es war ein trostloser Alltag, höchstens von Tagen unterbrochen, an denen es mir schlechter ging als sonst.

Irgendwann fing ich an, eben diese Tage zu protokollieren, legte eine Art Stimmungstagebuch an. Als ich damit anfing, stellte ich fest, dass diese schlechten Tage fast exakt alle zwei Wochen vorkamen. Das hielt sich jedoch nur vielleicht zwei Monate, bevor die schlechten Tage immer weiter aneinander heran rückten.

Als im Juni und Juli dann auch noch Unistress und Schwierigkeiten in der Liebe dazu kamen, verzweifelte ich ziemlich. Ich musste jede wache Minute an zwei Abgaben arbeiten, deren Deadlines innerhalb weniger Tage lagen und konnte mich von meiner Freizeit verabschieden.

Als der Stress hinter mir lag, war ich erst froh, wieder durchatmen zu können. Ich hatte in der Zeit mehrere emotionale Zusammenbrüche und ging davon aus, dass jetzt alles besser werden würde. Wurde es nicht, ganz im Gegenteil.

In meinem Leben breitete sich in der Zeit eine Leere aus. Ich zog mich aus Allem zurück, mit dem Gedanken, dass ich etwas Erholung und Entspannung brauchte. Ich fand aber nicht zurück. In der Zeit brachen alle meinen sozialen Kontakte ein – meine regelmäßige Rollenspielrunde pausierte über die Vorlesungsfreie Zeit, zu anderen Aktivitäten wurde ich kaum eingeladen und hatte auch nicht die Löffel, selbst Initiative zu ergreifen und mich mit Freunden zu treffen. Es war ein Teufelskreis. Ohne soziale Kontakte fiel es mir immer schwerer, Kontakt zu Leuten aufzubauen, was zu noch weniger Kontakt führte. Kurzum: Ich isolierte mich.

Die Isolation begann die Depression zu begünstigen und umgekehrt. Ich kämpfte nicht nur mit den üblichen Selbstzweifeln, die ich fast immer habe, sondern glaubte ihnen, war mir sicher, ich sei unbedeutsam und unwichtig. Natürlich machte das es noch schwerer, wieder aus meinem Loch raus zu kommen.

Dass ich damals noch nicht begriff, warum es mir schlechter und schlechter ging, dass ich nicht verstand, dass ich mich isolierte und mir das nicht gut tat, sorgte dafür, dass ich aus eigener Kraft einfach keinen Ausweg sah.

Anfang August setzte ich mir aus Verzweiflung ein Ultimatium. An jenem Tag kämpfte ich mit schlimmen Suizidgedanken, nicht zum ersten Mal in dieser Zeit, und entschied, dass sich dringend etwas ändern müsse – oder mein Leben wirklich keinen Sinn mehr hätte. Ich war mir in dem Moment sehr bewusst, dass ich diesen Gedanken nicht immer Gehör schenkte und legte deshalb ein Datum fest. Wenn es mir an diesem Datum Ende August nicht deutlich besser ginge, so würde es sicher auch nicht besser werden. Und wenn es mir in der Zwischenzeit wirklich besser ginge: Umso besser.

Ich ging erst davon aus, dass ich dieses Ultimatum bald vergessen würde. Ich habe mir solche Untimaten schon häufiger gesetzt und in der Regel sah schon am Tag darauf die Welt ganz anders aus. Solche Ultimaten halfen mir, in akut depressiven Momenten meinen Kopf frei zu bekommen. Ich konnte die negativen Gedanken beiseite schieben und in aller Regel war es danach so gut, dass ich das Ultimatium schnell vergaß.

Im August war das anders.

Ich verbrachte die nächste Zeit damit, eine Liste aufzubauen mit Dingen, die ich unbedingt erleben oder erledigen wollte, sollte ich mich Ende August dazu entschließen, mein Leben zu beenden. Ich sortierte Dinge aus dieser Liste, die nicht mehr realistisch machbar waren. Am Ende standen weniger als zehn Dinge auf der Liste – und ich fing an, sie systematisch abzuarbeiten.

Kurz vor dem gewählten Datum hatte ich tatsächlich all diese Dinge erledigt, längst einen Plan ausgearbeitet, wie ich meinen letzten Tag verbringen würde und wusste, wie ich mir das Leben nehmen wollte. Ich weiß nicht, wann und warum ich sicher war, dass ich nicht mehr leben wollte, aber irgendwann im August war ich an diesem Punkt angekommen.

Eine Weile vor dem gewählten Datum bat ich einige Freunde um Hilfe. Ich gestand ihnen, dass ich nicht mehr allein zurecht kam und bat sie, auf mich aufzupassen. Eine Woche vor Monatsende gestand ich ihnen dann auch, dass ich sogar Suizidpläne hatte. In einem klaren Moment bat ich darum, mit ihnen an dem Abend etwas zu unternehmen, bis ich müde ins Bett fallen würde. Ich war mir in dem Moment zwar sicher, dass ich nicht sterben wollte und mir nichts tun würde, wollte aber auf Nummer sicher gehen. Zwei gute Freunde stimmten zu und halfen mir, den Abend gut zu überstehen. Ich hab an dem Abend sogar viel Spaß gehabt.

Am nächsten Abend saß ich an meinem Tisch und versuchte mir Mut anzutrinken, um mir das Leben zu nehmen. Ich fand den Mut nicht.

Unter Tränen berichtete ich mitten in der Nacht der Gruppe an Freunden, was ich gerade versucht hatte und bat darum, dass sie mir helfen würden, mich einzuweisen. In den folgenden Tagen ging ich mit einer engen Freundin zur Krisenambulanz der Psychiatrie, bat dort um Hilfe, bekam für die nächste Woche ein Bett auf einer offenen Station versprochen und das Angebot direkt auf eine geschlossene Station zu kommen, wenn nötig. Nach einem umfangreichen Gespräch entschied ich mich, dass ich mit Notfallmedikamenten auch noch die Woche überbrücken könnte.

Tatsächlich habe ich seit dem Gespräch nicht mehr ernsthafte Suizidpläne gehabt. Gedanken daran: Ja, hin und wieder. Aber nie mehr als ein “Urgh, dieser Tag war Scheiße, kann ich bitte einfach sterben?”, nie ernsthaft. Ich glaube, dass der Abend, an dem ich es glücklicherweise nicht geschafft habe, mir etwas anzutun, mich ziemlich geprägt hat. Das heißt leider nicht, dass die Probleme damit vorbei waren, aber sich nicht mehr den Tod zu wünschen, ist auf jeden Fall ein Anfang.

Die nächsten sechs Wochen hab ich auf einer offenen psychiatrischen Station verbracht. “Offen” heißt, dass ich zwischen den Mahlzeiten und Therapien ziemlich freien Ausgang hatte. Auf geschlossenen Stationen ist in aller Regel die Tür geschlossen (daher der Name) und der Ausgang nur unter harten Regeln erlaubt – zumindest ist diese Aufteilung die, wie ich sie mache. Ich glaube, diese Einteilung ist eher eine Einteilung, die von Patienten und Angehörigen genutzt wird, offizielle Bezeichnungen sind meinem Eindruck nach etwas komplizierter. Das ist aber jedenfalls wie ich diese Begriffe verwende.

In meinen sechs Wochen auf Station hab ich endlich realisiert, was im August (und schon vorher) mein Befinden beeinflusst hat. Ich habe zwei Din A4-Seiten mit Dingen beschrieben, die mich belastet haben, allen voran die soziale Isolation. Ich begann vieles aufzuarbeiten und Ideen zu entwickeln, die mir helfen würden, in Zukunft diese Eskalation zu vermeiden. Alles waren aber nur Anfänge – in sechs Wochen kann das nicht alles abgeschlossen werden.

Trotzdem fühlte ich mich sicherer, als ich die Klinik verließ. Ich hatte zwar viele Prüfungen verpasst und kam direkt im neuen Semester wieder zurück an die Uni, hatte also auch keine Zeit, verpasste Prüfungen nachzuholen, fühlte mich aber in der Lage, meinen Alltag wieder aufzunehmen, wenn ich es langsam anging. Und genau das tat ich.

Bis heute hab ich nicht alles nachgearbeitet, was ich durch meinen Klinikaufenthalt verpasst habe. Viele Leute reden gern von “faulen Studenten”, aber zumindest im Bachelor/Master System ist das einfach nicht die Realität. Ja, ich hab den Einstieg in das letzte Semester langsam angehen lassen, aber insgesamt hätte ich auch nicht viel mehr aufholen können, als ich es jetzt habe. Uni ist halt weit mehr als hin und wieder Vorlesungen besuchen, insbesondere, wenn eins auf Bafög angewiesen ist, welches ohne gute Gründe für eine Verlängerung nur in der Regelstudienzeit gezahlt wird. Studieren ist deutlich schwerer als sein Ruf behauptet.

Wer meine Streams verfolgt, hat längst gemerkt, dass ich seit Februar nicht mehr zum Streamen komme. Das liegt nicht daran, dass ich daran keine Freude mehr hätte. Es ist vielmehr so, dass ich dafür seit Februar einfach gar keine Zeit mehr hatte. Meine Verpflichtungen, ein großer Teil davon Unikram, haben mir nur wenig Freizeit gelassen. Da Streams für mich auch zu einem guten Teil Arbeit sind, konnte ich mir dieses Hobby einfach nicht erlauben. Überarbeiten möchte ich mich so schnell nicht nochmal.

Bevor ich diesen Post beende, ist es mir ein Anliegen auch hier noch einmal darauf hinzuweisen, wie zynisch und eklig das Leben sein kann: Am 29.8.2016, wenige Tage, nachdem ich mir das Leben nehmen wollte, endete das Leben meiner guten Freundin und Ex-Partnerin Mica (micatheneco). Mögest du in Frieden ruhen. Ich weiß, dass ich für viele, viele Menschen spreche, wenn ich sage: Ich vermisse dich schmerzlich, aber hoffe, dass du jetzt zumindest an einem besseren Ort bist.

Freunde von Mica sind herzlich willkommen, sich an mich zu wenden, wenn sie mit ihrer Familie Kontakt aufbauen möchten oder sie auf dem Friedhof besuchen möchten.

Ich weiß, dass dieser Beitrag kein fröhlicher geworden ist, aber leider ist mein Leben das bei weitem nicht immer. Falls es nicht deutlich wurde: Mir geht es aktuell besser und ich habe viel, vielleicht sogar das meiste, aufgearbeitet. Ich befinde mich in ambulanter therapeutischer und psychiatrischer Behandlung und fühle mich wohl damit, beides hilft mir. Aber einfach ist mein Leben leider nun einmal nicht. Mir ist es wichtig, hier auch hin und wieder die Schattenseiten zu zeigen, denn viel zu oft werden “schwere” Themen, gerade auch Depressionen oder gar Suizid, totgeschwiegen.

Das Ende der Winterdepressionen?

Ich habe im Laufe der zweiten Jahreshälfte immer wieder erwähnt, dass sich meine Depressionen seit meinem Medikamentenwechsel deutlich verbessert haben. Jetzt, am Ende des Jahres, stelle ich aber noch etwas ganz anderes fest: Dieser Winter ist der erste seit meiner Pubertät, in dem ich nicht mit Winterdepressionen und damit zusammenhängend Antriebslosigkeit zu kämpfen habe. Zum ersten Mal seit Jahren bin ich trotz der Dunkelheit energiegeladen und gerade die letzten Wochen fast ständig unterwegs. Seien es Rollenspielrunden, Krimi Dinner, Escape Rooms, Geburtstags- und Weihnachtsfeiern oder, wie gestern, einfach spontane Treffen mit guten Freunden: Ich habe kaum Leerlauf gehabt und hab das genießen können, anstatt mich damit kaputt zu machen.

Das ist für mich ziemlich unglaublich. Bisher habe ich immer den Winter als die Jahreszeit bezeichnet, die ich am wenigsten mag, eben wegen der Antriebslosigkeit. Dieses Jahr muss ich das revidieren: Ich find’s immer noch doof, wie schnell es dunkel wird, aber es zehrt nicht mehr an meinen Nerven. Ich hoffe immer noch, dass der Winter noch so richtig einsetzt und Schnee mit sich bringt, statt wie die letzten Jahre den Frühling herbei zu sehnen.

Ich vermute, dass tatsächlich mein Vitamin D Mangel die Antriebslosigkeit ausgelöst hat. Da dieser jetzt behandelt wird und meine Werte im Normalbereich sind, halte ich dies für eine ziemlich plausible Erklärung. Aber eigentlich ist mir fast egal, was diese Veränderung bewirkt hat, solange es dabei bleibt. Es tut unglaublich gut, all den Dingen tatsächlich nachgehen zu können, auf die ich Lust habe, und dabei nur von meiner Freizeit, nicht von meiner Energie abhängig zu sein.

In diesem Sinne werde ich jetzt erst einmal kochen gehen, denn ich habe heute Abend noch eine Rollenspielrunde zu leiten 😀

Alina

Imaginäre Freunde, Kuscheltiere und Copingmechanismen

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Depressionen, Mobbing

Das Thema, das ich heute ansprechen möchte, ist schon wieder eines, welches ich schon ewig vor mir her schiebe. Primär hatte ich hier tatsächlich Angst vor der Reaktion. Seit ich aber weiß, dass ich damit nicht allein stehe und die Bestätigung meiner Therapeutin habe, dass das, wovon ich hier sprechen möchte, nicht krankhaft ist, sondern im Gegenteil sehr sinnvoll, möchte ich es doch endlich ansprechen. Aber lasst mich vorne anfangen.

Ich bin in der Schule gemobbt worden. Das fing spätestens in der achten Klasse an. Damals fing ich an, mir die Haare wachsen zu lassen und schwarz zu tragen. Ich war nie allzu sportlich, hab selten in meiner Klasse(nstufe) FreundNinnen gefunden. Ich muss für die mich mobbenden Menschen das gewesen sein, was sie für ein leichtes Ziel hielten. Nur war ich es nicht ganz.

Ich entwickelte damals etwas, was ich heute gern als Mindset bezeichne. Es umfasst meine Laune und Grundstimmung und beeinflusst, wie ich auf Dinge reagiere. Damals entstand ein arrogantes Mindset. Wenn jemand mich verärgern oder verletzen wollte, trat ein Schutzmechanismus in Kraft, durch den ich in dieses arrogante Mindset wechselte und mich einfach besser fühlte als die mich mobbenden Menschen. Ich fühlte mich ihnen überlegen. Ich blickte auf sie herab. Durch diese Haltung haben es diese Menschen nie geschafft, wirklich an mich heran zu kommen. Ich nahm sie höchstens als kleines Ärgernis war, aber sie waren es nicht wert, mehr Beachtung zu erhalten. Ich bin nicht unbedingt stolz darauf, wie ich in diesem Mindset mit Menschen umgehe, von denen ich in dem Moment glaube, sie wollen mir böses, aber es hilft mir, nicht daran zu zerbrechen. Und hat mich heil durch meine Schulzeit getragen.

Ich möchte an dieser Stelle betonen: Das Mobbing hat bis zum Abitur nach dem dreizehnten Schuljahr nicht aufgehört. Fünf Jahre lang, vielleicht mehr, bin ich gemobbt wurden, obwohl ich die mich mobbenden Menschen ignoriert habe. Es wird so oft gesagt “Du wirst gemobbt? Ignoriere das einfach, dann hört es von selbst auf!” Ich kann leider aus eigener Erfahrung sagen, dass das nicht hilft. Es geht trotzdem weiter. Ich glaube zwar, dass ich deshalb weniger gemobbt wurde, aber ganz aufgehört hat es nie.

Das Mindset hat in meinem Leben eine derart wichtige Rolle gespielt, dass ich eine ganze Persönlichkeit um dieses Mindset herum erfand. Ich erfand mir eine Art imaginären Freund, dem ich dieses Mindset als Persönlichkeit zuordnete. Diese Person bekam sogar einen eigenen Namen: Gotos. Gotos war damals ein alter Nickname gewesen, den ich eine Weile online verwendet habe und der eigentlich keine Bedeutung hat, sondern nur zusammengewürfelte Buchstaben sind. Dennoch ist der Name hängen geblieben.

Gotos begleitet mich bis heute.  Es ist sogar so, dass ich mittlerweile viel bewusster mit ihm umgehe. Ich führe (Selbst-)Gespräche mit ihm und er ist mittlerweile Protagonist einer Kurzgeschichtensammlung geworden, die eine fiktive Hintergrundgeschichte zu ihm beleuchtet. Allerdings pflege ich dieses Verhältnis vor Allem deshalb so sehr, weil ich gemerkt habe, wie gut er mir bis heute tut. Er hat mir manches Mal den Hintern gerettet.

Ich erinnere mich an einen besonders schlimmen Tag in der schlimmen Zeit meiner Depression, an dem ich auf dem Boden saß und weinte. Ich hatte nicht mal mehr die Kraft mich auf mein Bett zu ziehen. Mein Notfallmedikament war in der Gemeinschaftsküche meines Flurs, im Kühlschrank, und damit für mich unerreichbar. Ich hatte nicht im Ansatz genug Löffel, um über den Flur bis in die Küche und zurück zu gehen. In dem Moment trat aber das Gotos-Mindset hervor. Plötzlich war eine Wut in mir, auf meine Depression, nicht auf mich. Plötzlich war da Energie. Ich konnte aufstehen, stapfte wütend in die Küche, griff nach dem Medikament und noch etwas Süßem, um die Wartezeit bis das Medikament wirkte zu überbrücken und stapfte wütend zurück. Erst als ich in meinem Zimmer auf dem Stuhl saß und die Tropfen des Medikaments abgezählt hatte, fiel das Mindset wieder ab und ich blieb verwirrt darüber zurück, wie zur Hölle ich das gerade geschafft hatte.

Seit spätestens dieser Erfahrung empfinde ich dieses Mindset als unglaublich hilfreich und ich bemühe mich, den Zugang zu ihm zu verbessern. Seit her ist Gotos in Form des imaginären Freundes wieder deutlich präsenter für mich.

Aber Gotos ist nicht der einzige Copingmechanismus in dieser Richtung. Wer mir auf Twitter folgt oder meine Streams schaut, kennt meine Flauschi – ein Rotpanda-Plüschtier. Flauschi ist eine Art Maskottchen meiner Streams geworden. Sie sitzt grundsätzlich so auf meinem Mikro, dass sie in jedem Stream zu sehen ist. Tatsächlich hat sie sogar einen eigenen Twitteraccount, bloggt seit Kurzem selbst ein wenig und vor Allem hilft sie mit, in meinem Stream-Chat zu moderieren. Natürlich kann ein Plüschtier das alles nicht wirklich – den Twitteraccount und Blog schreibe ich aus ihrer Sicht, im Chat arbeitet eine Bot-Software im Hintergrund unter ihrem Namen, aber meine Community hat sie schon seit langem als eigene Persönlichkeit anerkannt und zieht voll und ganz mit, wenn ich behaupte, Flauschi sei eine eigene Person und mache das alles selbst.

Tatsache ist: Auch sie ist eine imaginäre Freundin von mir. Eine, die einen sehr, sehr ausgeprägten Charakter hat, gerade auch, weil sie in meinen Streams und auf Twitter dabei ist und sie einfach auch von anderen Leuten involviert wird. Sie ist so etwas wie meine kindliche Seite. Aber auch sie ist ein Copingmechanismus. Während sie, wenn es mir gut geht, eine aufmerksame, aber auch aufgedrehte und neugierige Persönlichkeit besitzt, so ist sie, wenn es mir schlecht geht, ein Ruhepol und jemand, an den ich mich kuscheln kann – auch wenn sie ziemlich klein ist. Das ist auch der Grund, warum viele Leute glauben, ich habe sie seit meiner Geburt – sie sieht mittlerweile ziemlich durchgeflauscht aus, obwohl ich sie erst 1,5 Jahre bei mir habe.

Beide, Gotos und Flauschi, sind für mich ziemlich wichtige Selbstschutzmechanismen, aber auch deutlich mehr. Ich hab längst akzeptiert, dass sie eben auch imaginäre Freunde sind, die ich sogar ein Stück weit mit anderen Menschen, die dafür offen sind, teilen kann. Ich versuche nicht, mir “abzugewöhnen”, sie als existent zu behandeln. Mir ist bewusst, dass sie es nicht sind, aber wenn ich nicht nur Freude dran hab, sie so zu behandeln, warum sollte das ein Problem sein? Zumal sie mir ja sogar gut tun.

Ich hab lange Zeit die Sorge gehabt, wenn ich über diese beiden sprechen würde, würden Leute mir Schizophrenie oder, gerade im Falle von Gotos, eine multiple Persönlichkeit unterstellen, aber das sind sie nicht. Sie sind so etwas wie imaginäre Freunde und Copingmechanismen, aber mehr nicht. Sie sind für mich eine Stütze, keine Last. Es hat aber dennoch lange gedauert, bis ich mich getraut habe, so offen drüber zu sprechen. Ich habe erst andere Menschen kennen lernen müssen, die auch imaginäre Freunde oder ähnliche Copingmechanismen haben, bevor ich mich das getraut hab. An dieser Stelle danke an euch! Ihr wisst, wer ihr seid.

Ich hoffe, dass dieser Artikel vielleicht ein paar Menschen hilft, die ähnliche Copingmechanismen oder imaginäre Freunde haben, diese etwas besser zu akzeptieren. Es ist nichts verwerfliches oder schlimmes, im Gegenteil kann es eine Bereicherung sein!

Alina

Ein wenig Geschichte, Teil 6: Vieles wird anders

Im heutigen Artikel der “Ein wenig Geschichte”-Reihe möchte ich auf meine Vornamens- und Personenstandsänderung sowie den Beginn meiner Hormontherapie eingehen. Dinge also, die schon im Verlauf der Entwicklungen hier im Blog dokumentiert wurden, zu denen ich aber noch keinen richtigen Rückblick geschrieben habe. Hier findet ihr Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4 und Teil 5.

Irgendwann 2013 fragte ich meine Therapeutin, wie es eigentlich um Hormone stünde. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht gesichert, was die Hormone wirklich bewirken könnten und was nicht und war mir nicht so ganz sicher, ob ich welche wollen würde. Wenn zumindest vieles von dem, was ich gehört hatte, stimmen würde, wären sie für mich schon ziemlich interessant, aber ich wollte mich nicht auf Halbwissen verlassen.

Mein Therapeutin selbst konnte mir meine Fragen zu dem Thema nicht beantworten und riet mir, mich an eine Endokrinologin wenden, die zu dem Zeitpunkt in Karlsruhe die wohl bekannteste und beliebteste Endokrinologin mit Kenntnissen im Bereich Transsexualität war. Ich ließ mir dort einen Termin geben, bei dem auch direkt Blut abgenommen wurde, um zu meinen Hormonspiegel zu prüfen. Dort konnte ich dann auch nachfragen, welche Auswirkungen eine Hormontherapie denn nun tatsächlich hätte. Ich entschied, dass die Wirkungen für mich deutlich schwerer wogen als die potentiellen Nebenwirkungen und bekam von meiner Therapeutin für den nächsten Termin bei meiner Endokrinologin ein Indikationsschreiben, welches für den Beginn der Behandlung nötig war.

Die Behandlung begann dann Ende Sommer 2013 und wird vermutlich mein ganzes Leben lang andauern. Die erste Zeit war scheußlich, da die Hormone auch psychisch eine Art zweite Pubertät auslösten und eines der Medikamente anfangs zu hoch dosiert war. Ich erlag einem absolutem Gefühlschaos. Nach Reduktion der Dosis ging es mir deutlich besser, trotzdem war die Umstellungsphase… interessant. Nicht nur mein Körper veränderte sich, ich sehe die Welt auch seit dem ein bisschen aus anderen Augen, reagiere manchmal anders als früher. Das Medikament, dessen hohe Dosis das Gefühlschaos auslöste ist übrigens das, welches ich mittlerweile komplett gewechselt habe, da es bei mir Depressionen auslöste, die Anfang dieses Jahres damit gipfelten, dass ich mich in psychiatrische Behandlung begab und immer wieder sogar mit Suizidgedanken zu kämpfen hatte.

Mittlerweile muss ich sagen: Die Depression war schlimm genug, dass es für mich besser gewesen wäre, die Hormone abzusetzen, hätte ich keine Alternative gefunden. Sie haben meine Lebensqualität massiv verschlechtert. Seit dies aber wieder behoben ist, bin ich rundum glücklich und zufrieden mit der Hormontherapie. Ich fühle mich wohler in meinem Körper und auch die psychischen Änderungen begrüße ich.

Ende 2013 beantragte ich dann die Änderung meines Vornamens und meiner Geschlechtszugehörigkeit. Meistens spreche ich nur von der “Namensänderung”, weil das Wort auch so schon lang genug ist. Mit der Namensänderung ging einher, dass ich zwei psychologische Gutachten brauchte. Grundsätzlich ist es so, dass das Amtsgericht die Gutachter benennt, aber eins kann dem Gericht GutachterNinnen vorschlagen. Ich hörte mich also etwas um, welche GutachterNinnen in der Umgebung umgänglich sind und erfuhr zwei Namen, die ich dann auch in meinem Antrag nannte. Die GutachterNinnen wurden genehmigt, es ging daran, mit diesen Termine abzumachen.

Die Sitzungen bei den GutachterNinnen gingen jeweils etwa zwei Stunden und ich wurde über verschiedenste Dinge ausgefragt. Am Ende hieß es jeweils, dass es noch dauern würde, bis die Gutachten auch wirklich fertig sein würden und es könnte sein, dass doch noch weitere Sitzungen nötig sein würden, um die Entscheidung zu treffen. Ich hatte Glück, dies war nicht der Fall. Nach einiger Zeit erhielt ich postalisch die Gutachten und noch etwas später eine Vorladung zum Amtsgericht. Dort wurde ich ein letztes Mal darüber aufgeklärt, was die Namensänderung für Konsequenzen hat. Nachdem ich bestätigte, dass diese mir bekannt sind, bekam ich sogar direkt bereits einen vorläufigen Beschluss über die Änderung. Wenige Wochen später kam der endgültige Beschluss per Post. Das war im April 2014.

Für mich ist die Namensänderung einer der wichtigsten Schritte auf meinem Weg gewesen. Es fühlt sich so unglaublich richtig an, endlich auch offizielle Dokumente guten Gewissens mit diesem Namen versehen zu können. Ich muss niemanden mehr erklären, dass in meinen Unterlagen zwar ein männlicher Name steht, ich aber bitte trotzdem Alina genannt werden möchte, denn in den Unterlagen steht jetzt Alina. Wie groß die Last war, die damit von mir abfiel, wurde mir erst nach und nach bewusst.

Für die bürokratischen Hintergründe zum Thema Namensänderung und Hormone, kann ich die entsprechenden Unterseiten meines transsexuellen Weges empfehlen. Außerdem sind vielleicht auch die Tags Hormone und Namensänderung interessant.

Ein Teil fehlt noch in der Reihe “Ein bisschen Geschichte” um im Dezember 2015 anzukommen, nämlich der Teil darüber, wie sich mein Denken in dem letzten Jahr verändert hat. Ich betrachte meine Transsexualität mittlerweile noch mal aus anderen Augen. Um das wirklich erklären zu können, muss ich erst ein, zwei weitere Artikel schreiben, auf die ich dann im siebten Teil der Reihe verweisen kann. Ich hoffe, dass klappt noch alles im Rahmen des Adventskalenders.

Alina

Löffel

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Depressionen

Heute ist so ein Tag, an dem ich, obwohl ich meine Depressionen hinter mir habe, merke, dass mir langsam die Löffel ausgehen.

“Löffel?”, höre ich euch fragen. Ja, Löffel.

Die Spoon Theory ist ein Artikel, in dem eine junge Frau beschreibt, wie sie ihrer besten Freundin versucht zu erklären, wie sich ein Leben mit ihrer Krankheit anfühlt. Sie greift spontan zu einer Analogie – die beiden sitzen gerade in einem Restaurant und sie sammelt einige Löffel zusammen und gibt ihrer Freundin diese. Dann lässt sie sie aufzählen, was sie an einem normalen Tag für Erledigungen zu tun hat. Bereits als ihre Freundin ihr sagt, dass sie aufsteht, sich fertig macht und zur Arbeit geht, unterbricht sie sie. Um das alles zu tun, müsse sie erst einmal aus dem Bett kommen. Duschen. Sich anziehen. Ihre Medikamente nehmen. Und jede dieser Tätigkeiten kosten Löffel. Bevor sie überhaupt zur Arbeit aufbrechen kann, sind von zwölf Löffeln nur noch sechs übrig.

Sie erklärt ihrer Freundin, dass es manchmal möglich ist, vom nächsten Tag schon Löffel zu “borgen”, doch das bedeutet, dass der nächste Tag noch härter wird. Und was, wenn morgen etwas Unvorhergesehenes passiert? Sind dann überhaupt noch genug Löffel da, um das durchzustehen?

Die Spoon Theory ist meiner Meinung nach ein ziemlich gutes Sinnbild dafür, wie auch ich mich mit meiner Depression gefühlt habe – ich hatte konstant nur knapp genug Löffel, um über den Tag zu kommen, wenn überhaupt. Selten hab ich mal ein paar Löffel zusätzlich sammeln können, durch Aktivitäten, die mir guttaten. Aber niemals konnte das ewig halten. Und jetzt, wo ich diese Theorie kenne, merke ich, dass ich auch heute nicht endlos viele Löffel habe. Ich hab jetzt rund eineinhalb stressige Wochen hinter mir. Es war durchaus eine schöne Zeit, die ich hatte, aber ich bin froh heute Abend endlich wieder etwas länger Zeit nur für mich zu haben, um mich zu erholen. Ich hab gemerkt, dass ich die letzten Tage über immer reizbarer und müder wurde. Aber was ich jetzt erlebe ist harmlos im Gegensatz dazu, wie es mir in der ersten Jahreshälfte ging.

Mittlerweile frage ich Leute oft nicht mehr nur, ob sie Zeit und Lust haben, etwas mit mir zu unternehmen, sondern auch, ob die Löffel dafür da sind. Ich kenne mittlerweile einige Leute, deren Löffel knapp bemessen sind und auch schöne Dinge können durchaus Löffel kosten. Skype-Gespräche, gemeinsame Ausflüge, auch diese Dinge können an schlechten Tagen mehr Löffel fressen als sie generieren. Es macht zwar Spaß, aber es ist auch anstrengend.

Die Löffeltheorie ist für mich nicht absolut perfekt. Ich merke, dass für mich selbst nicht alles nur ein Plus oder ein Minus an Löffeln bedeutet, die Zusammenhänge sind da komplexer. Aber um zu veranschaulichen, wie sich so etwas anfühlt, ist die Theorie meiner Meinung nach ziemlich gut.

Alina

Rückblick auf meine Zeit in Therapie

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Depressionen (erwähnt)

Ich bin seit Ende 2012 in Therapie, anfangs vorwiegend als Stütze im Bezug auf meine damals noch recht frisch erkannte Transsexualität und begleitend zur später folgenden Hormontherapie. Diesen Monat werde ich meine vorerst letzte Sitzung haben und finde, es ist an der Zeit, darüber zu schreiben, wie ich die Therapie wahrgenommen habe.

Als ich mit der Therapie anfing, war mich nicht klar, wie viele verschiedene Therapieformen es gibt und dass TherapeutiNinnen, PsychologNinnen und PsychiaterNinnen unterschiedliche Aufgaben haben. Das war für mich alles Synonym. Bis heute habe ich die Unterschiede eher im Gefühl, als sie wirklich zu kennen. TherapeutNinnen sind offenbar eher die Leute, mit denen eins regelmäßig Probleme bespricht. PsychologNinnen stellen Diagnosen und analysieren, PsychiaterNinnen verschreiben Medikamente. Es scheint nicht ganz unüblich zu sein, dass einzelne Personen mehrere Rollen wahrnehmen, da die Felder mindestens nah beieinander liegen, wenn sie nicht sogar ineinander über fließen. Wie gesagt, das ist keine offizielle Abgrenzung sondern vor Allem mein Gefühl, hat mir aber zum Verständnis viel geholfen. Es gibt dann noch weitere Unterteilungen, nicht alle TherapeutNinnen sind psychologische PsychotherapeutNinnen. Ich weiß da aber im Wesentlichen bis heute nur, dass darin verschlüsselt ist, was genau die Person studiert hat und wie lange sie noch gelernt hat und das meine Therapeutin als psychologische Psychotherapeutin gut zu mir gepasst hat. Übersichtlich geht meiner Meinung nach anders.

Die Unübersichtlichkeit hatte auch anfangs zur Folge, dass ich mir gar nicht sicher war, was ich eigentlich bräuchte und wofür: Für die begleitende Therapie, die mir dann auch ermöglichte, ein Indikationsschreiben für die Hormone zu bekommen, war meine Therapeutin die richtige Anlaufstelle. Für den Antrag auf Namensänderung brauchte ich wiederum zwei PsychologNinnen.

Ich finde diese Unübersichtlichkeit tatsächlich problematisch. Für mich selbst war es damals so, dass es ein Haufen Arbeit war, das alles soweit zu verstehen, dass ich wusste, an wen ich mich wenden konnte. Wenn nun ein Mensch in einer schwierigen Situation in seinem Leben Hilfe sucht, sollte nicht erwartet werden, dass dieser Mensche diese Arbeit noch erledigen kann, sie ist im Bedarfsfall ein unglaubliches Hindernis.

Die Therapie selbst war für mich allen voran eine interessante Erfahrung. Ich muss zugeben, nicht immer ganz mit meiner Therapeutin zufrieden gewesen zu sein. Insbesondere, wenn es mir mit meinen Depressionen schlecht ging, konnte sie mir wenig nützliche Ratschläge geben beziehungsweise ich hab den Eindruck, ihr war nicht immer klar, wie schlecht es mir zwischendurch ging. Bedenkt eins aber, dass ich dort ja war, um eine Stütze im Falle von Problemen mit meiner Transsexualität zu haben, kann ich ihr das eigentlich nicht verübeln. Etwas schade fand ich allerdings, dass sie wenig vertraut mit Themen wie zum Beispiel der Namensänderung war. Klar, sie ist keine Beratungsstelle, aber da sie auch vielen trans Menschen hilft, hätte ich erwartet, dass sie etwas mehr Wissen über diese Themen hätte als ich es damals hatte. Ich musste mir alle Infos immer online zusammensuchen oder befreundete trans Menschen fragen.

Insgesamt kann ich schwer einschätzen, wie viel mir die Therapie gebracht hat. Ich hatte nie das Gefühl, zu große Probleme aufgrund meiner Transsexualität zu haben und nahm die Therapie vor Allem als Absicherung wahr, falls doch Probleme aufkämen. Ich kann aber nicht behaupten unzufrieden zu sein. Hin und wieder haben die Gespräche mir geholfen, Gedanken zu sortieren, die sich nur im Gespräch sortieren ließen. Dafür hätten mir vermutlich oft auch Gespräche mit anderen Menschen geholfen, aber im Therapieverhältnis hab ich da doch noch etwas anders über einige Themen sprechen können als mit Freunden.

Anfang des Jahres war ich dann ja auch noch 5 Wochen in einer psychiatrischen Tagesklinik. Ich habe darüber im verlinkten Post schon etwas geschrieben, aber das Fazit der Zeit war: Es hat mir sehr geholfen. Ich war dort aufgrund meiner immer schlimmer werdenden Depressionen und wurde dort aus meinem kaum noch zu ertragenden Alltag heraus gerissen. Ich verbrachte meine Tage dort und nur meine Abende und Nächte zu Hause, was mir schon allein gut tat. Dann lernte ich dort mit Problemen besser umzugehen, lernte, mehr auf mich selbst zu achten, deutlicher Bedürfnisse und Wünsche zu kommunizieren, Probleme anzusprechen. Den Stein für einige Fähigkeiten brauchte tatsächlich bereits vor der Tagesklinik eine Beziehung ins Rollen, aber in der Tagesklinik verbesserte ich sie noch deutlich. Ich bin immer noch sehr glücklich drüber, diese Dinge gelernt zu haben, denn sie sind nicht nur in der Depression nützlich, sondern allgemein im Umgang mit schwierigen Situationen.

Aber so gut mir die Tagesklinik tat: Das Individuum kam dort ziemlich kurz. Ich hatte das Glück, dass mir das Therapieprogramm dort viel brachte, ich weiß aber von einigen Menschen, die mit dem Programm nichts anfangen konnten. Da es nicht individualisierbar war, brachte sie die Tagesklinik daher nicht voran. Weiterhin ließ sich ein Termin nur telefonisch ausmachen. Da ich insbesondere während der Depression ja ziemliche Probleme mit Telefonieren hatte, ist es eigentlich einem guten Freund zu verdanken, dass ich überhaupt einen Platz bekommen habe. Er hat mich in einem Moment, in dem es mir einigermaßen gut ging, genug dazu gedrängt, dort anzurufen, dass ich es tat. (Gedrängt ist dabei nicht als Zwang zu verstehen; ich hab ihn in einem schlechten Moment darum gebeten, mich in einem guten Moment davon zu überzeugen, anzurufen.)

Alles in allem hab ich sehr positive Erfahrung mit Therapien gemacht, muss allerdings sagen, dass es im Bedarfsfall verdammt schwer ist Hilfe zu finden, die dann auch noch passen muss. Eigentlich viel zu schwer. Wenn eins diese Hilfe aber erst einmal gefunden hat, kann das unglaublich nützlich sein und gut tun.

Vom Telefonieren

Wer meinen Blog schon länger liest, wird sich vielleicht noch daran erinnern, dass ich vor einigen Jahren einen “Adventskalender” hatte – jeden Tag ein Blogpost. Ich möchte das auch dieses Jahr wieder probieren. Es ist zwar gerade schon 23:44 und es wird eng, diesen Blogpost wirklich noch heute fertig zu bekommen, aber ich gebe mir Mühe 😀

Einleiten will ich diesen Advent mit einem Artikel, der mir schon seit Monaten auf dem Herzen liegt, weil es etwas ist, dass mich selbst betroffen hat und wenig Beachtung findet.

In der Zeit meiner schlimmen Depression ist mir etwas besonders bewusst geworden, was mir auch vorher schon bekannt war, aber sich ohne die Depression überwinden ließ und durch sie zu einem ernsten Problem für mich wurde: Ich mag nicht mit fremden Leuten telefonieren, wenn ich ein Anliegen habe. Wenn ich angerufen werde oder es um ein Gespräch mit mir vertrauten Menschen geht, ist das kein Problem, aber wenn nicht, ist telefonieren für mich eine Überwindung. An guten Tagen brauche ich nur einige Augenblicke um mich zu sammeln und auf den grünen Hörer zu drücken, an weniger guten Tagen habe ich die Nummer gewählt und brauche mehrere Minuten, bis ich wirklich anrufe, an schlechten Tagen ist mir telefonieren schlicht nicht möglich.

Das ist keine Sache, die sich mit einem “Reiß dich doch mal zusammen, da beißt schon niemand” beheben lässt – das Telefonieren ist einfach anstrengend für mich. Anstrengender als so mancher 10 Stunden Uni Tag. Selbst das geistig drauf Einstellen ist manchmal derart anstrengend, dass ich den Versuch abbrechen muss und den Rest des Tages für nichts anderes mehr Energie habe.

Ich weiß, dass das für Menschen, die so etwas nie erlebt haben, schwer vorstellbar ist. Ich weiß, dass es danach klingt, als suche ich nur ausreden, weil ich faul sei. Aber die allermeisten Telefonate sitzen mir dann ewig im Nacken und es belastet mich, sie nicht hinter mir zu haben. Ich will an solchen Tagen nichts lieber, als das Telefonat hinter mich zu bringen, aber mit der Depression war das oft einfach unmöglich, so sehr ich es auch wollte.

In dieser Zeit ist mir eine Sache bewusst geworden: Ich bin damit bei weitem nicht allein. Es gibt viele Menschen, denen es aus verschiedensten Gründen unangenehm ist, zu telefonieren. Das sind nicht nur Menschen mit Depressionen, ich weiß auch von einigen neurologisch-typischen Menschen ohne psychische Leiden, die trotzdem eine Abneigung gegen das Telefonieren haben. Und trotzdem, obwohl es mir ziemlich weit verbreitet scheint, gibt es dort selten Alternativen. Ärzte sind fast ausschließlich telefonisch erreichbar. Kurioserweise sogar psychiatrische Einrichtungen, die mit diesem Problem eigentlich vertraut sein sollten. Ich weiß nicht wie oft ich in der ersten Jahreshälfte E-Mails geschrieben habe, dort möglichst detailliert mein Anliegen geschildert habe und nur die Antwort “bitte rufen Sie uns an!” bekam. Oft hab ich dann nicht angerufen. Es ging in der Zeit nicht.

Ich bin über diese starke Ausprägung hinweg. Telefonieren ist etwas, was ich immer noch ungern tu, aber ich bekomme es hin, wenn es nötig ist. Aber ich weiß, dass das nicht allen so geht. Für viele Menschen ist das ein unüberwindbares Hindernis und ich finde es mehr als Schade, dass E-Mails sich noch immer nicht als Ersatzmedium etabliert haben. Ja, natürlich, die Antworten sind damit in aller Regel etwas zeitverzögert, aber oft werden Anfragen per Post bearbeitet, aber nicht per Mail. Damit ist das Argument eigentlich hinfällig.

Ich hab auf dieses Thema wenig Einfluss. Ich kann nicht dafür sorgen, dass plötzlich die ganze Welt Mails statt Anrufe akzeptiert. Aber ich hoffe schon, dass dies vielleicht ein, zwei Menschen sehen, die sich noch nie darüber Kopf gemacht haben, wie anstrengend für manch anderen Menschen telefonieren ist, und dafür vielleicht etwas mehr Verständnis haben. Mir hätte das einiges an Problemen erspart.

Alina

Spontanität

Ich hab ja im letzten Beitrag schon geschrieben, dass es einige Dinge gibt, die ich wegen meiner Depression nicht geschafft habe, für die die Energie fehlte. Spontanität war eines dieser Dinge.

Nun hatte ich die letzten Wochen viel Uni-Stress und deshalb schlicht keine Zeit und bin danach direkt auf’s M’era Luna gefahren (Festivalbericht folgt vermutlich heute Abend oder morgen). Heute ist der erste wirklich freie Tag seit langem. Und siehe da: Ich bin in rund 40 Minuten verabredet. Ausgemacht vor nicht mal 10 Minuten.

Geht doch! Ich hab meine Spontanität echt vermisst. 🙂

Viel Neues

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Depressionen

In über sieben Monaten hat sich viel getan. Ich werde versuchen, hier einigermaßen chronologisch die Dinge zu erzählen, die mir schon lange auf der Zunge brennen.

Ich schrieb zuletzt davon, mir aufgrund meiner Depressionen einen Platz in einer psychiatrischen Tagesklinik gesichert zu haben. Ich war dort im Januar und Februar für fünf Wochen und hab dort viele nützliche Dinge gelernt. Zum einen habe ich in der Zeit gelernt, viel bewusster zu kommunizieren, habe gelernt, wie wichtig es ist, Dinge, die mir wichtig sind, anzusprechen und mit ihnen offen umzugehen. Diese Sachen hatte ich in der Vergangenheit oft für mich behalten und versucht, sie selbst zu lösen oder Zeichen zu machen, was ich will, ohne es konkret anzusprechen. Oder ich habe unschöne Dinge hingenommen statt sie anzusprechen.

Ein gutes Beispiel dafür ist, als ich in der Klinik eines vormittags von jemandem mit Pronomen “er” betitelt wurde. Es war recht offensichtlich, dass die Person damit nicht so recht zufrieden war, aber sich nicht zu helfen wusste. Ich sprach sie im Anschluss des Programmpunktes unter (mehr oder weniger) vier Augen darauf an, dass ich das unschön fand und um “sie” als Pronomen bitten würde. Die Person reagierte verlegen und entschuldigte sich nicht nur einmal für das falsche Pronomen. Ich wiederum erklärte, dass es schon okay für mich sei, solange sie jetzt drauf achten würde. Ich bin mir ja bewusst, dass mir einige Menschen meine Transsexualität ansehen und nie gelernt haben, wie sie damit umgehen sollen. Danach konnten wir beide diese Sache abschließen und waren zufrieden.

Abseits vom Kommunizieren lernte ich auch einige Skills, die mir helfen, wenn es mir gerade akut schlecht geht. Insbesondere Stabilisierungs-/Imaginationsübungen helfen mir auch heute noch, negative Gefühle leichter aufzuarbeiten. (“Auch heute noch?” werdet ihr fragen. Aber Gemach, liebe LeserNinnen. Dazu komme ich noch.) Wenn die Konzentration nicht reichte, um diese Übungen durchzuführen, half mir Origami, diese Konzentration zu gewinnen. Beim Falten von mir bereits vertrauten Figuren brauchte ich keine wirkliche Konzentration auf das, was ich tat, aber musste meinen Fokus auf das Papier richten. Nach ein, zwei Figuren war mein Kopf dann eigentlich immer zumindest für eine kurze Zeit einigermaßen klar, so dass ich dann die Stabilisierungsübungen angehen konnte, die mir halfen, zumindest für die nächsten Stunden diese Freiheit von negativen Gefühlen zu halten – genug Zeit zu versuchen, den Auslöser der Emotionen zu ergründen und beheben.

Der Aufenthalt in der Tagesklinik hat mir also definitiv etwas gebracht. Jedoch…

Die nächsten vier Wochen waren bei mir Klausurenphase. Diese Zeit war deshalb so besonders, weil nur zwei Klausuren mich von meinem Bachelor-Titel trennten. Zumindest eine der Klausuren würde aber erst ein Semester später wieder angeboten werden, sollte ich durchfallen – das würde nicht nur ein Semester länger im Bachelor bedeuten, sondern finanzielle Probleme mit sich bringen, da ich auf keine weitere Verlängerung des BAföGs hoffen konnte. Entsprechend legte ich mich beim Lernen ins Zeug. Die erste Klausur lief dann auch ganz gut, die zweite jedoch gar nicht. Zu viel Stoff wurde abgefragt, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Ich hatte das Gefühl nicht einmal die Hälfte aller Punkte gesammelt zu haben und bekam Panik, dass ich ausgerechnet diese Klausur, die erst ein Semester später wieder angeboten wurde, in den Sand gesetzt hatte. Meine Depressionen kamen mit dieser Angst zurück.

Zwar durfte ich etwa eine Woche später feststellen, dass die Angst unnötig war (offenbar hatte jeder mit dieser Klausur Probleme und die Bestehensgrenze wurde entsprechend angepasst), aber auch wenn die Angst damit verflog, die Depression blieb. Und das über Monate.

Es ist nicht so, dass ich in dieser Zeit gar nicht glücklich sein konnte. Aber es brauchte immer einen Auslöser. Ich war nicht “einfach so” glücklich. Versagensängste wurden mein ständiger Begleiter. Ich konnte meine Erfolge nicht mehr sehen, wenn ich nicht mit der Nase drauf gestoßen wurde, nahm nur die Fehler wahr. Ich kämpfte antriebslos mit meinem Studium und war einige Male kurz davor es einfach hinzuschmeißen, obwohl der Stress rückblickend kein großer war. Es gab durchaus Momente, in denen ich hätte platzen können vor Glück, vor Freude. Aber nie hielt es lange. Ich hatte das Gefühl, dass Energie, Antrieb eine Flüssigkeit war und ich ein löchriger Eimer. Ich konnte die Energie einfach nie lange halten. Und wenn etwas nicht so lief, wie erhofft, riss mich dies immer häufiger so weit runter, dass ich keine Energie mehr hatte, auch nur zu falten oder eine Stabilisierungsübung zu machen. In diesen Momenten kam ich nur noch mit einem Medikament aus meinem Loch, welches ich genau für solche Situationen mitbekommen hatte.

Bis Ende Mai wurde es immer schlimmer und ich entschied mich, mich erneut an die Tagesklinik zu wenden. Zwar wollte ich das laufende Semester noch irgendwie abschließen und erst im Wintersemester wieder in die Klinik, aber ich brauchte irgendein Licht am Ende des Tunnels. Anfang Juni nutzte ich dann einen Moment, in dem ich zumindest etwas Kraft hatte, um in der Klinik anzurufen. Mittlerweile ist mir dort ein Platz im September sicher, um den ich als Absicherung sehr froh bin. Aber es hat sich mehr ergeben.

Ebenfalls Anfang Juni hatte ich einen Termin bei meiner Endokrinologin. Ich sprach mit ihr erneut darüber, dass die Depressionen in den letzten zwei Jahren deutlich zugenommen haben und fragte, ob es die Möglichkeit gebe, andere Medikamente zu verwenden. Die gab es und ich tauschte Androcur gegen Utrogest als Testosteronblocker.  Bereits nach 2-3 Wochen merkte ich eine deutliche Veränderung. Ich habe deutlich mehr Energie – dass ich endlich mal wieder blogge, ist nur einer von vielen Beweisen, wie viel besser es mir geht. In meinem Freundeskreis, ja selbst in meinen Livestreams bin ich darauf angesprochen worden, dass ich wie ausgewechselt wirke, deutlich glücklicher wirke. Dies deckt sich mit meinem Empfinden. Und genau deshalb sage ich, ich bin froh, einen Termin in der Klinik in der Hinterhand zu haben, aber ich rechne mittlerweile damit, ihn nicht zu benötigen. Ich warte noch ab, ob sich doch wieder etwas verändert.

Hätte ich vor 1-2 Monaten noch gesagt, die Hormone seien mir wichtiger als meine geistige Gesundheit, muss ich das jetzt revidieren. Ich hatte vergessen, wie es ist, glücklich zu sein und Energie zu haben. Sollte sich herausstellen, dass die aktuelle Dosis an Utrogest noch falsch ist und nach oben korrigiert werden müssen und sollten dadurch die Depressionen zurückkehren, werde ich erneut das Medikament wechseln. Und wenn alles nichts hilft, dann werde ich keine Hormone mehr nehmen. Das würde natürlich viele Veränderungen, die ich hier schon häufiger angesprochen habe, wieder rückgängig machen, aber bevor ich mich mit solchen inneren Dämonen quäle, kaschiere ich lieber meinen Körper.

Natürlich heißt das alles nicht, dass ich jetzt keine Probleme mehr habe oder nicht von Zeit zu Zeit weine. Es sind in den letzten Wochen einige Dinge passiert, die mich zum Weinen gebracht haben. Ich möchte auf die Details nicht groß eingehen. Was ich aber sagen möchte, ist, dass ich dies nun wieder überstehe, ohne auch nur an das Notfallmedikament denken zu müssen. Der Schmerz ist nicht mehr übermächtig, ich habe die Energie, ihn ohne Hilfe zu überstehen. Und um auch diesen Kreis zu schließen: Ich nutze trotzdem immer noch gerne die Stabilisierungsübungen. Nicht, um es in den akuten Momenten aus dem Schmerz zu schaffen, sondern viel mehr um an mir zu arbeiten. Ich nutze sie zum Beispiel, um an bleibenden Gefühlen zu arbeiten, die sich untergründig über lange Zeit erstrecken, um diese schneller überwinden zu können.

Ich hoffe, dass das Kapitel “Depressionen” damit für mich endlich abgeschlossen ist. Die Zeit wird es zeigen. Wenn nicht, weiß ich aber, wo ich Hilfe bekommen kann und werde es hoffentlich nicht wieder so schlimm werden lassen, wie es war.

Vielleicht noch ein paar Worte zu Dingen, die ich bisher nur andeutete:

Ich habe mittlerweile offiziell den Bachelor of Science in Informatik abgeschlossen. Selbst das erste von hoffentlich vier Semestern des Masters ist so gut wie abgeschlossen und mittlerweile hab ich dabei auch wieder ein gutes Gefühl und Spaß am Studium. Auch ansonsten sieht mein Leben eigentlich echt gut aus. Ich habe tolle Menschen an meiner Seite, die mich unterstützen, tolle Freunde und eine ebenso tolle Familie. Meine sozialen Kontakte waren die letzten Monate, wenn nicht Jahre, zurückgegangen und beschränkten sich auf geplante Veranstaltungen. Davon gab es zwar genug, dass ich mich nicht isoliert habe, aber ich habe mich quasi nicht mehr spontan mit Freunden getroffen, was früher üblich war. Ich werde die nächste Zeit versuchen, was das angeht wieder Fuß in meinem Freundeskreis zu fassen und wieder mehr zu unternehmen. Ich denke, jetzt, wo ich dafür wieder Energie habe, sollte das gut machbar sein.

Soviel zum Rundumschlag. Ich denke, dass ist so das wichtigste der letzten Monate. Als nächstes könnte ich dann ja endlich mal das Layout des Blogs überarbeiten und ihn auf mobilen Geräten vernünftig lesbar machen 😀

Bis bald,

Alina

Wieder ein Jahr vorbei

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Depressionen (am Rande erwähnt)

Nun ist bereits Dezember und damit schon wieder ein Jahr fast rum. Gerade die letzten Monate wurde es auf meinem Blog wieder sehr ruhig. Das hat zwei Gründe: Zum einen gab es nicht viel, von dem ich hier hätte bloggen wollen. Ich hab in letzter Zeit viele tolle Dinge erlebt, aber so richtig etwas großes, das ich gern gebloggt hätte, gab es nicht wirklich. Zum Anderen… nun ja. Schrieb ich vor zwei Monaten noch im Artikel über Depressionen, dass ich hoffte, meine seien Überwunden, erwischten sie mich kurz darauf doch wieder. Sie sind gefühlt ähnlich schlimm wie die, die ich letztes Jahr erlebt habe, aber dieses Mal hab ich die oben erwähnten tollen Erfahrungen, die mich noch gut über Wasser halten. Die Depressionen haben aktuell wenig Einfluss auf meinen Alltag, halten mich aber in meiner Freizeit davon ab, meinen Hobbys groß nach zu gehen. Stattdessen pflege ich meine sozialen Kontakte, ein weiterer wichtiger, stützender Faktor.

Ich kann mich aber darauf nicht ausruhen. Soziale Kontakte und gute Ablenkung mögen mich vorerst stützen, aber das wird natürlich nicht ewig gut gehen. Aus diesem Grunde habe ich mich mittlerweile an eine Tagesklinik gewendet und werde dort im Januar einen Platz bekommen – im Dezember stehen noch einige Termine an, die ich unbedingt wahrnehmen möchte, um vorher etwas Kraft zu tanken. Dazu gehören vor Allem Weihnachten bei meinen Eltern und das erste Furious Feedback – Konzert. Furious Feedback ist das musikalische Projekt von Daniel, den ich ja auch schon hin und wieder hier im Blog erwähnte, und ich verfolge das Projekt vom ersten Demo-Song an mit Begeisterung. Zwischendurch werde ich mich außerdem wieder mit vielen tollen Leuten treffen, die ich sonst viel zu selten sehe.

Ein paar Dinge möchte ich aber doch noch erzählen, die mir in letzter Zeit widerfahren sind. Sie sind alle keinen eigenen Blogpost wert, aber vielleicht trotzdem ganz interessant.

Meine Gesichtszüge werden zunehmend weicher. Vor ein paar Tagen lernte ich eine junge Frau kennen, die mir im Laufe des Abends das Kompliment machte, ich habe so ein schönes Gesicht. Später sprach ich sie darauf an, ob sie gemerkt habe, dass ich Transsexuell bin – ja, hatte sie, aber nur, weil sie mit der Thematik vertraut ist. Insbesondere hob sie hervor, dass sie der festen Überzeugung ist, dass Menschen, die sich nicht mit Transsexualität auskennen, mein Gesicht garantiert als weiblich identifizieren würden.

Vor ein paar Wochen war ich für ein Wochenende in Österreich. Dort traf ich auf ein Pärchen, welches meinte, mich zu erkennen. Nach einigem hin und her wurde uns klar, woher: Die beiden lesen meinen Blog. Hallo an euch zwei 🙂 Ich fand es echt faszinierend, aber auch etwas irritierend, plötzlich und ohne Vorwarnung an einem Ort, an dem ich nie zuvor war, zwei Menschen zu treffen, die meinen Blog lesen und mich dann sogar erkennen. Auf jeden Fall eine sehr interessante Erfahrung!

Nach einigem Hin und Her ist meine Bachelorarbeit durch und dieses Semester stehen nur noch zwei Vorlesungen an, bis ich dann auch meinen ersten akademischen Abschluss (Bachelor of Science in Informatik) habe. Auch war meine finanzielle Absicherung zwischendurch wackelig, hat sich nun aber gefangen und ich habe ein recht entspanntes (Rest-)Semester vor mir. Das ist auch gut so, schließlich hab ich ab Januar ja auch noch ein bisschen mehr um die Ohren.

Ansonsten gibt es, denke ich, nicht viel, das erzählenswert wäre, daher belasse ich es an dieser Stelle einfach dabei. Die nächsten Wochen und Monate wird’s dann hier vermutlich wegen dem Rumreisen und dem Klinikaufenthalt auch weniger von mir zu hören geben, aber vielleicht hab ich danach dann wieder mehr interessantes zu erzählen.

Alina