Das Safer Sex Handbuch

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Sex

Huch. Irgendwie rast dieses Jahr (mal wieder) die Zeit. Dabei hab ich eigentlich immer wieder Ideen gehabt, über die ich gern bloggen würde. Aber wie dem auch sei, heute hab ich Zeit, Lust und dazu noch ein Thema!

Ich habe ja vor ein paar Monaten das erste Mal offen über Sex gesprochen. Auch daraus, polyamor zu leben, mache ich kein Geheimnis. Das bedeutet auch, dass ich mit verschiedenen Menschen Sex habe – was das Thema “Safer Sex” für mich deutlich wichtiger gemacht hat.
Das Problem hierbei: Für mich persönlich war der Sexualkundeunterricht in der Schule viel zu früh. Im Wesentlichen war das einzige, dass ich damals begriff, dass ein Kondom in aller Regel vor Schwangerschaft schützen würde – wenn es zwischen einem dyacis-Mann und einer dyacis-Frau zu Sex kam (dyacis => dyadisch, nicht inter und cis, nicht trans). Es ging sicher auch um Krankheiten, aber da ich damals noch kein Interesse an Sex hatte, fand ich den Unterricht grässlich. Sex zwischen gleichgeschlechtlichenn Menschen wurde höchstens angeschnitten, trans und inter Menschen nicht erwähnt und überhaupt ist das ja auch ein Sache bei der immer nur zwei Menschen beteiligt sind. Meine Lebensrealität sieht da deutlich anders aus.

Glücklicherweise stolperte ich kurz nachdem ich anfing, polyamor zu leben, über ein kleines Heftchen, welches mir hier genau die Informationen gab, die ich suchte – das Safer Sex Handbuch von Daniela Stegemann.
Was ich an diesem Handbuch mag, ist schon der Preis: Ein Exemplar kostet nur einen Euro und dürfte damit für sehr viele Menschen gut finanzierbar sein. Und genau das ist auch das Ziel von diesem Heft – viele Menschen erreichen.
So geht es in dem Heft nicht nur um dyadische cis Männer die mit ebensolchen Frauen Spaß haben, es geht darum, dass Menschen mit verschiedensten Körpern mit anderen Menschen Sex haben.
Ich mag an dem Buch, dass es nicht davon ausgeht, dass jeder Mann einen Penis und jede Frau Brüste hat. Es werden viele Vorschläge gemacht, wie mit verschieden Körperteilen umgegangen werden kann und welche Risiken es gibt, ohne sie dabei Geschlechtern zuzuordnen. Und es geht nicht davon aus, dass Körper nur zwei Ausprägungen haben, sondern geht absolut selbstverständlich damit um, dass es ein ganzes Spektrum an Körperteilen gibt – es beschränkt sich nicht auf Penis, Klitoris, Hoden und Vagina. An keiner Stelle spricht das Buch von “Du musst unbedingt folgendes beachten, sonst ist der Sex nicht safe!” sondern es gibt Ratschläge. Es erklärt Risiken und macht Vorschläge, wie mit diesen umgegangen werden kann.
Es bleibt aber nicht beim reinen Sex. Bereits ziemlich zu Anfang behandelt das Handbuch das Thema “wie finde ich eigentlich raus, was ich mag, und wie kann ich drüber reden”. Hier wird sogar darauf eingegangen, dass es Menschen gibt, die Sex eben nicht mögen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dies zu tun. Es ist okay, keinen Spaß am Sex zu haben – und es ist auch okay, trotzdem welchen zu haben, aus welchen Gründen auch immer.
Das Handbuch thematisiert auch Drogenkonsum und welchen Einfluss dies auf Sex haben kann. Sexspielzeug wird thematisiert. Es gibt eine Liste, welche Gleitmittel mit was für Materialen eingesetzt werden können, ohne dass das Material beeinflusst wird.
Und, und das war für mich ein sehr wichtiger Aspekt, es geht nicht davon aus, dass ich nur mit einem einzigen Menschen Sex habe. Sex mit mehreren Menschen wird zwischendurch immer mal wieder thematisiert.

Für mich ist Safer Sex mittlerweile ein wichtiges Thema. Da ich mit mehreren Menschen sexuellen Kontakt habe, ist es mir wichtig, das Risiko von Krankheiten gering zu halten. Passe ich nicht auf, könnte ich eine Krankheit von einer Person auf eine andere übertragen. Ich habe einfach für mehr Menschen Verantwortung als ich es in mono-Beziehungen hatte. Das Safer Sex Handbuch ist dabei mein Nachschlagewerk geworden, wenn ich Unsicherheiten habe. Mittlerweile verteil ich es munter in meinem Polycule (Polycule: Ich, meine PartnerNinnen, deren PartnerNinnen und so weiter), weil ich so begeistert davon bin.
Grundsätzlich würde ich mir sehr wünschen, dass das Handbuch weite Verbreitung findet. Es ist einfach ein super Nachschlagewerk für alle Menschen, die Sex haben. Falls das für euch interessant klingt, schaut doch gern auch mal auf der Website vorbei – daniela-stegemann.de

Alina

Ein wenig Geschichte, Teil 7: Umdenken

Im letzten Teil dieser Reihe ging ich auf die Veränderungen ein, die die Hormontherapie und die Namensänderung für mich mit sich brachten. Heute möchte ich diese Reihe (vorerst?) abschließen, in dem ich mein Umdenken in jüngerer Vergangenheit schildere. Hier findet ihr Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5 und Teil 6.

Ich habe gerade im ersten Teil der “Geschlecht ist nicht binär”-Reihe erklärt, dass ich Geschlecht längst nicht mehr als binär betrachte. Ich habe erlebt, dass nicht alle Menschen männlich oder weiblich sind. Diese Erfahrung hat mich dazu gebracht, dass bestehende Verständnis von Geschlecht zu hinterfragen.

Ich bin eine Frau. Ich fühle mich wohl als Frau. Ich habe mich nicht wohl gefühlt, als ich versuchte, als Mann zu leben. Aber: Ich glaube nicht, dass mir das in jedem denkbaren Kulturkreis so wäre.

Ich betrachte männlich und weiblich nicht mehr als gegebene Gesetze und glaube nicht, dass Frauen als Kinder tendenziell eher mit Puppen spielen, während Männer begabter in technischen Dingen sind. Ob eine Person gut zuhören kann oder nicht ist nicht durch das Geschlecht gegeben, ebenso wenig, ob sie gern Kleider trägt, sich schminkt und die Nägel lackiert oder sich lieber in Band-Shirts, schwarzen Jeans und Springerstiefeln auf Festivals im Schlamm wälzt. Das sind alles Eigenschaften, die eine Person beliebiger Geschlechter haben kann oder nicht und die zu einem guten Teil anerzogen sind und durch Erwartungshaltungen verstärkt werden.

Das bedeutet für mich, dass ich keine Frau bin, weil ich eine “weibliche Persönlichkeit” habe, sondern es bedeutet, dass ich meine Persönlichkeit leichter offen ausleben kann, wenn ich als Frau lebe, da sie so weitaus besser toleriert wird. Aufgrund meiner Persönlichkeit fühle ich mich als Frau weitaus wohler als als Mann, aber dies liegt daran, wie diese Persönlichkeit von der westlichen Welt interpretiert wird. Würde ich noch einmal versuchen als Mann zu leben, würde ich den gleichen Druck spüren, den ich damals verspürt habe, als ich es rund 20 Jahre lang versuchte. Ein Druck, der für mich deutlich, deutlich größer ist als der, den ich verspüre, seit ich als Frau lebe.

Aber: Es ist für mich nicht perfekt. Ich achte auf einige Details an mir, bei denen ich glaube, dass es anderen auffallen könnte. Ich habe Angst, dass ich anders behandelt werde, wenn diese Details zu sehr auffallen. In einer Gesellschaft ohne Geschlechtsstereotypen würde ich mir zum Beispiel weniger Gedanken um meinen Bartwuchs oder meine Stimme machen. Aber die Gesellschaft, in der ich lebe hat diese Stereotypen und ich achte auf sie, um nicht schief angesehen zu werden, weil ich es nicht tu. Und ich weiß, dass ich dafür mindestens skeptisch betrachtet werde, wenn ich nicht auf diese Dinge achte. Ich hab glücklicherweise selbst wenig Diskriminierungserfahrung gemacht, aber ich kenne Leute, denen es deutlich schlimmer geht. Weil das aber alles als Mann nur noch schlimmer wäre, lebe ich als Frau. Und wie gesagt, es mag nicht perfekt sein, aber die Erwartungshaltung der Gesellschaft ist so für mich ausreichend leicht zufrieden zu stellen, damit ich mich sehr wohl fühle.

Leider kenne ich aber genug Menschen, die dieses Glück nicht haben. Im letzten Jahr habe ich mich sehr intensiv auch mit Menschen beschäftigt, deren Geschlecht eben nicht männlich oder weiblich ist und damit, wie schwer sie es oft haben, so zu leben, wie es sich für diese Menschen gut anfühlt. Der Druck ist hier viel größer, weil keines der Binärgeschlechter auch nur einigermaßen passt, sie aber trotzdem ständig in eines gedrängt werden und zugehörige Klischees auf sie angewendet werden. Diese zumindest aus zweiter Hand zu erleben, hat bei mir zu einem Umdenken geführt. Ich habe gesehen, wie es diesen Menschen mit ihrem Geschlecht geht. Habe realisiert, dass sie durch die Stereotypen noch viel mehr eingeengt werden, als es bei mir der Fall ist. War ich vorher noch davon überzeugt, dass Geschlechter abseits von männlich und weiblich Blödsinn wären, hat dieser persönliche Bezug zu dem Thema dazu geführt, dass ich heute diesen Text schreibe. Das Thema liegt mir mittlerweile selbst sehr am Herzen.

Ich hoffe, dass irgendwann immer mehr Menschen umdenken und Geschlecht eine andere Rolle in der Gesellschaft spielen wird. Ich hoffe, dass es irgendwann jedem Menschen möglich ist, sich frei zu entfalten. Aber ich weiß, dass das ein weiter Weg ist, den ich selbst noch vor eineinhalb Jahren als völlig unnötig erachtet habe. Vielleicht kann ich ja mit meinem Blog ein paar Menschen dieses Thema näher bringen.

Alina

Geschlecht ist nicht binär, Teil 2

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Genitalien

Im ersten Teil dieser Reihe habe ich mich damit befasst, dass die Geschlechtszugehörigkeit von Menschen sich nicht auf nur zwei verschiedene Geschlechter runterbrechen lässt. Heute möchte ich stattdessen vor allem auf den biologischen Aspekt eingehen. Denn ich weiß, dass oft das Argument fällt, dass es biologisch betrachtet doch nur zwei Geschlechter gibt und die seien nun einmal verschieden. So weit dieses Denken auch verbreitet ist: Es ist nicht richtig und ich möchte mir heute die Zeit nehmen darüber zu reden, warum es das nicht ist. Ich werde am Ende dieses Beitrags weiterführende Lektüre verlinken, die sich mit dem Thema “Geschlecht ist nicht binär” beschäftigt, den Artikel selbst aber nicht zu wissenschaftlich, sondern lieber anschaulich halten.

Geschlecht wird oft auf die Gene zurückgeführt. Es heißt, wenn das letzte Chromosomenpaar XY ist, bist du männlich, wenn es XX ist, bist du weiblich. Schon hier beginnen die Schwierigkeiten. Es gibt Menschen, bei denen das letzte Chromosomenpaar tatsächlich kein Paar, sondern zum Beispiel ein Tripel wie XXY, ist. Nicht nur das: Die Merkmale, mit denen typischerweise das Geschlecht eines Kindes bei der Geburt bestimmt wird, muss nicht immer zu den Chromosomen “passen” – nicht jeder Mensch mit XY-Chromosomen bildet einen Penis aus, während es einige Menschen mit XX-Chromosomen durchaus tun. Tatsächlich ist der Übergang hier sogar fließend. Es wird im Zweifelsfall die Größe des Genitals gemessen, um das Geschlecht zu bestimmen. Es gibt hier jedoch einen Bereich von einigen Zentimetern, in dem das Kind als weder weiblich noch als männlich eingestuft wird. In aller Regel wird das Kind in diesem Fall operiert, um in die üblichen Grenzen zu passen, manchmal sogar ohne Rücksprache mit den Eltern. Das Kind bekommt demnach hier überhaupt keine Selbstbestimmungsmöglichkeit, obwohl es grundsätzlich durch das Genital nicht in seiner Entwicklung beeinträchtigt werden würde.

Neben dem genitalen und chromosomen Geschlecht können noch mindestens zwei weitere Geschlechter betrachtet werden: Das gonodale (hormonelle) Geschlecht und das gonoduktale Geschlecht. Letzteres betrachtet innere Geschlechtsorgane. Auch zwischen diesen Aspekten körperlicher Geschlechtsmerkmale gibt es fließende Übergange. Alle vier Merkmale können nach klassischer Ansicht untereinander “unpassend” sein. Es ist also zum Beispiel möglich, dass ein Mensch in drei Aspekten eine Ausprägung hat, die als männlich identifiziert wird, während die letzte Ausprägung weiblich ist. Nicht immer werden genau diese vier Aspekte so voneinander abgegrenzt. Je nach Zählweise können mehr oder weniger Aspekte unterschieden werden.

Es gibt verschiedene Studien, die sich mit der Frage befassen, wie verbreitet es ist, dass nicht alle Aspekte vom körperlichen Geschlecht zueinander “passende” Ausprägungen haben. Problematisch ist, dass es durchaus möglich ist, ein Leben lang gar nicht zu bemerken, dass eine der Ausprägungen von der Erwartung abweicht. Eine Formulierung, die in meinem Bekanntenkreis mittlerweile recht oft genutzt wird, ist, dass Intersexualität in etwa so verbreitet wie rote Haare sei. Dies entspricht etwa einem von 100 Menschen. Die genauen Zahlen variieren zwischen einem von 2000 und einem von 150 Menschen. Auf jeden Fall ist es nicht so selten, wie viele Menschen intuitiv anzunehmen scheinen. Statistisch betrachtet sind wir alle schon oft intersexuellen Menschen begegnet, meistens vermutlich ohne dies zu bemerken.

Wenn nun Intersexualität so weit verbreitet ist, stellt sich mir die Frage, warum oft behauptet wird, Geschlecht könne nur binär sein. Sicher, zumindest nach aktuellen Studien ist es wohl so, dass Menschen mit eindeutigem männlichen oder weiblichen körperlichen Geschlecht eine Mehrheit bilden, aber die Menge intersexueller Menschen ist nicht vernachlässigbar klein. Es betrifft viele Menschen. Sich also auf körperliche Aspekte zu berufen, um zu belegen, dass Geschlecht nur zwei Ausprägungen kenne, erscheint mir einfach nicht plausibel.

Geschlecht als binär zu betrachten, ist ein gesellschaftliches Konstrukt. Weder auf körperlicher Ebene noch im Miteinander ist Geschlecht starr und unabänderlich. Es gibt viele Kulturkreise, in denen die Rollenbilder von Geschlechtern sich von den westlichen Rollenbildern grundlegend unterscheiden und/oder mehr Geschlechter als zwei anerkannt werden. Thailand ist dafür ein populäres Beispiel, da dort in der Gesellschaft drei Geschlechterrollen verwurzelt sind. Diese lassen sich dabei nicht vollständig auf westliche Vorstellungen von Geschlecht übertragen. Körperlich ist das Geschlecht keineswegs nur binär, wie ich versucht habe, in diesem Artikel zu erklären. Daher empfinde ich es als äußerst schade, dass viele Menschen trotzdem so sehr an diesem binären System festhalten wollen. Ich möchte nicht, dass Menschen wegen dieses Artikels ihr eigenes Leben anders führen. Ich möchte nicht, dass Frauen, die glückliche, zu Hause bleibende Mütter sind, plötzlich Häuser bauen oder Männer, die mit ihrem Job in der IT zufrieden sind, diesen aufgeben, um als Kindergärtner zu arbeiten. Aber ich möchte, dass sich ein Verständnis verbreitet, dass diese Aufgaben nicht typisch für das eine oder andere Geschlecht sind, sondern die Präferenzen eines einzelnen Menschen sind. Ich wünsche mir, dass Menschen nicht aufgrund ihres Geschlechts unterschiedlich behandelt werden und ich wünschte mir, dass auch Geschlechter abseits von männlich und weiblich anerkannt statt abgelehnt werden.

Alina

P.S.: Für Interessierte möchte ich hier noch einige weiterführende Quellen bereitstellen:

Geschlecht ist nicht binär, Teil 1

Leider betrachten sehr viele Leute Geschlecht immer noch als binär. Ob in den Medien, Schulbüchern, der gesellschaftlichen Erwartung: Fast überall kennt Geschlecht immer nur die Ausprägungen “männlich” und “weiblich”. In Wahrheit ist Geschlecht aber deutlich vielschichtiger. Heute möchte ich den ersten Artikel von vermutlich zweien schreiben, in denen ich genau darauf eingehen möchte.

Ich kenne mittlerweile eine Menge verschiedene Menschen, die nicht einfach männlich oder weiblich sind. Nach und nach hab ich mich dabei immer mehr davon verabschiedet, Menschen nur in diese Kategorien einzuordnen. Ich habe mittlerweile statt dessen eine Art grafische Veranschaulichung entwickelt. Diese ist natürlich auch nicht perfekt und ich werde am Ende des Artikels auf Grenzen dieser Veranschaulichung eingehen, aber ich finde sie deutlich passender, als nur von zwei Geschlechtern auszugehen.

Zum Veranschaulichen von Geschlecht nutze ich gern folgenden Graphen:

GeschlechtAuf der X-Achse findet sich ein Maß an “Weiblichkeit”, auf der Y-Achse ist “Männlichkeit” aufgetragen. Die Geschlechter vieler Menschen lassen sich als Punkt auf diesem Graphen wiederfinden. Schauen wir uns doch mal das nächste Bild an.

Geschlecht_kreiseHier sind die binären Geschlechter “männlich” und “weiblich” markiert. Menschen, deren Geschlecht ein Punkt innerhalb dieser Kreise ist, sind also männlich oder weiblich. Es ist ziemlich deutlich zu sehen, dass hier viel mehr Geschlechter zu finden sind, als nur diese beiden.

Geschlecht_androgynHier ist in Grün eine Art androgynes Spektrum abgetragen. Androgyn ist oft vor Allem auch eine Gender Expression1, welches keinem Binärgeschlecht zugeordnet werden kann. Es wird oft als neutral betrachtet, irgendwo zwischen männlich und weiblich. Männliche und weibliche Aspekte sind also etwa gleichermaßen vorhanden.

Geschlecht_neutroisIn Blau ist hier das Geschlecht “neutrois” eingezeichnet. Es liegt in diesem Graphen im Ursprung, denn es hat keine weiblichen oder männlichen Ausprägungen. In dieser Darstellung ist es also Teil des androgynen Spektrums.

In diesem Graphen können aber noch deutlich mehr Geschlechter gefunden werden. Demi-Girl zum Beispiel ist ein Geschlecht, welches sich zwar nah am weiblichen Geschlecht befindet, aber es nicht ganz erreicht.

Es ist allerdings auch möglich, dass sich Geschlechter nicht durch einen einzelnen Punkt abdecken lassen. Bei genderfluiden Menschen ändert sich das Geschlecht abhängig von der Zeit oder der Situation. Sie würden also auf mehrere Punkte oder vielleicht sogar eine oder mehrere Flächen abbilden lassen.

Das Modell hat aber Grenzen. Es gibt Menschen, die haben kein Geschlecht. Dies wird agender genannt. Agender Menschen lassen sich in diesem Graphen nicht darstellen, weil der Graph nur ein Geschlecht abbilden kann/soll, etwas, das agender Menschen gar nicht haben. Es gibt auch Geschlechter, die nicht zwischen männlich und weiblich liegen. Dieses Konzept nennt sich auch aporagender. Für diese bräuchte es weitere Achsen, denn ihr Geschlecht bezieht sich nicht auf eines der zwei Binärgeschlechter, sondern ein anderes Geschlecht, welches hier einfach nicht abgebildet ist.

Ins Gesamt ist dieser Graph also nicht perfekt und erhebt auch nicht den Anspruch darauf. Vielmehr soll er zeigen, dass Geschlecht vielschichtiger als nur “männlich” und “weiblich” ist und ich glaube, das lässt sich trotz seiner Grenzen in dieser Darstellung deutlich besser veranschaulichen als nur mit den Labels “männlich” und “weiblich”.

“Aber Alina, biologisch betrachtet…”

Halt! Stopp! Einen Augenblick! Auf das Thema Geschlecht und Biologie möchte ich in einem separaten Artikel eingehen, der hoffentlich in ein paar Tagen fertig werden wird. Ich bitte also um ein bisschen Geduld 🙂

Alina

1 Gender Expression bezeichnet das Auftreten eines Menschen, seine Außenwirkung, bestehend aus Kleidung, Frisur, Körpersprache, Stimme und anderen Aspekten, die bestimmten Geschlechtern zugeordnet werden.

Der große Topf des Gender-Nonconformings

Ich hab in diesem Blog hin und wieder erwähnt, dass ich so meine Probleme habe mit Menschen, die aus verschiedenen Gründen in die Rolle eines anderen Geschlechts schlüpfen, ohne sich diesem zugehörig zu fühlen. Ich möchte direkt an dieser Stelle erwähnen: Ich möchte niemandem verbieten, dies zu tun. Ich möchte es auf keinen Fall schlecht reden. Aber ich sehe leider problematische Strukturen, die sich entwickelt haben und möchte an dieser Stelle erklären, wie ich diese Strukturen verstehe, und warum ich sie als problematisch erachte. Noch einmal: Ich möchte nicht die Tätigkeiten an sich verteufeln.

Der Artikel “Warum ich kaum in Trans*-Communities aktiv bin” schlägt in eine ähnliche Bresche wie dieser Artikel, auch wenn meine Wortwahl dort noch sehr anders war. (Wow, hat sich mein Stil in den letzten 1,5 Jahren verändert! :O) Heute möchte ich den Fokus aber etwas anders setzen. Ich möchte dazu die Rocky Horror Show als Beispiel nehmen.

In der Rocky Horror Show gibt es den Charakter Frank N. Furter, welcher in dem Stück als Transvestit bezeichnet wird. Leider sagt dieser selbst, er käme aus “Transsexual, Transsylvania” – gemeint ist hier wohl, dass Frank N. Furter vom Planeten “Transsexual” aus der Galaxie “Transsylvania” stammt, aber die Formulierung ist leicht falsch zu interpretieren, als sei transsexual hier ein Attribut für Transsylavia. “Ich komme aus dem transsexuellen Transsylvanien”.

Furter ist wie die ganze Show ziemlich überdreht und zu ihm passt meiner Meinung nach mit seinem Auftreten und seinen Outfits das Label Drag Queen. Eine sehr extrovertierte Persönlichkeit und aufreizende Kleidung machen ihn in meinen Augen aus.

Das Problem das ich damit habe? Zu oft werden Personen in Drag und Transsexuelle in einen Topf geworfen. Ich hab mit Personen in Drag an sich kein Problem, aber ein Problem damit, dass dies in der Öffentlichkeit als repräsentativ für Transsexualität missverstanden wird und ich mich damit nicht identifizieren kann. Ich finde es bedenklich, dass dies nicht getrennt wird, denn es fehlen jungen transsexuellen Menschen damit Vorbilder. Ich hab in meiner Pubertät jahrelang ausgeschlossen, trans zu sein, weil ich nur Personen in Drag kannte und wusste, dass ich so nicht bin. Ich hielt Personen in Drags für transsexuell und die einzige Form, in der eins aus dem zugewiesenen Geschlecht ausbrechen könnte.

Diese Probleme führten dazu, dass ich bis heute Personen in Drag nichts abgewinnen kann. Wie gesagt, ich möchte es nicht verteufeln oder gar verbieten. Menschen haben Spaß daran und ich finde das absolut in Ordnung. Aber diese Strukturen sind ein Problem, bei dem ich selbst nicht so recht weiß, wie dies angegangen werden könnte. Ich glaube, transsexuelle Menschen kämpfen schon oft dagegen an, als Personen in Drag dargestellt zu werden. Ich weiß nicht, wie oft es Personen in Drag umgekehrt passiert und wie sehr sie dagegen kämpfen. Letztlich kann ich wahrscheinlich nur hoffen, dass durch einen offeneren Umgang mit trans Themen die Unterschiede mehr ins öffentliche Bewusstsein dringen.

In diesem Artikel bin ich jetzt vor allem auf den Unterschied zwischen Personen in Drag und Transsexuellen eingegangen beziehungsweise auf die Probleme, die ich als Transsexuelle mit falschen Labels habe. Ich bin aber sicher, dass das nicht nur für diese Gruppen gilt. Transvestiten, Cross-Dresser und andere Menschen die, dauerhaft oder zeitweise, mit ihrem zugewiesenen Geschlecht brechen, werden vermutlich ähnliche Probleme haben. Meinem Eindruck nach werden wir alle in einen großen Topf geschmissen, der uns in der Öffentlichkeit sämtliche Diversität raubt. Ich hoffe, dass dieser Artikel dazu betragen kann, dieses Problem in den Fokus zu rücken um Lösungen dafür zu finden.

Alina

P.S.: Fall jemand einen schönen, griffigen, genderneutralen Begriff für “Personen in Drag” hat, wäre ich darum sehr dankbar, ich kenne leider keinen 🙁

Rückblick auf meine Zeit in Therapie

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Depressionen (erwähnt)

Ich bin seit Ende 2012 in Therapie, anfangs vorwiegend als Stütze im Bezug auf meine damals noch recht frisch erkannte Transsexualität und begleitend zur später folgenden Hormontherapie. Diesen Monat werde ich meine vorerst letzte Sitzung haben und finde, es ist an der Zeit, darüber zu schreiben, wie ich die Therapie wahrgenommen habe.

Als ich mit der Therapie anfing, war mich nicht klar, wie viele verschiedene Therapieformen es gibt und dass TherapeutiNinnen, PsychologNinnen und PsychiaterNinnen unterschiedliche Aufgaben haben. Das war für mich alles Synonym. Bis heute habe ich die Unterschiede eher im Gefühl, als sie wirklich zu kennen. TherapeutNinnen sind offenbar eher die Leute, mit denen eins regelmäßig Probleme bespricht. PsychologNinnen stellen Diagnosen und analysieren, PsychiaterNinnen verschreiben Medikamente. Es scheint nicht ganz unüblich zu sein, dass einzelne Personen mehrere Rollen wahrnehmen, da die Felder mindestens nah beieinander liegen, wenn sie nicht sogar ineinander über fließen. Wie gesagt, das ist keine offizielle Abgrenzung sondern vor Allem mein Gefühl, hat mir aber zum Verständnis viel geholfen. Es gibt dann noch weitere Unterteilungen, nicht alle TherapeutNinnen sind psychologische PsychotherapeutNinnen. Ich weiß da aber im Wesentlichen bis heute nur, dass darin verschlüsselt ist, was genau die Person studiert hat und wie lange sie noch gelernt hat und das meine Therapeutin als psychologische Psychotherapeutin gut zu mir gepasst hat. Übersichtlich geht meiner Meinung nach anders.

Die Unübersichtlichkeit hatte auch anfangs zur Folge, dass ich mir gar nicht sicher war, was ich eigentlich bräuchte und wofür: Für die begleitende Therapie, die mir dann auch ermöglichte, ein Indikationsschreiben für die Hormone zu bekommen, war meine Therapeutin die richtige Anlaufstelle. Für den Antrag auf Namensänderung brauchte ich wiederum zwei PsychologNinnen.

Ich finde diese Unübersichtlichkeit tatsächlich problematisch. Für mich selbst war es damals so, dass es ein Haufen Arbeit war, das alles soweit zu verstehen, dass ich wusste, an wen ich mich wenden konnte. Wenn nun ein Mensch in einer schwierigen Situation in seinem Leben Hilfe sucht, sollte nicht erwartet werden, dass dieser Mensche diese Arbeit noch erledigen kann, sie ist im Bedarfsfall ein unglaubliches Hindernis.

Die Therapie selbst war für mich allen voran eine interessante Erfahrung. Ich muss zugeben, nicht immer ganz mit meiner Therapeutin zufrieden gewesen zu sein. Insbesondere, wenn es mir mit meinen Depressionen schlecht ging, konnte sie mir wenig nützliche Ratschläge geben beziehungsweise ich hab den Eindruck, ihr war nicht immer klar, wie schlecht es mir zwischendurch ging. Bedenkt eins aber, dass ich dort ja war, um eine Stütze im Falle von Problemen mit meiner Transsexualität zu haben, kann ich ihr das eigentlich nicht verübeln. Etwas schade fand ich allerdings, dass sie wenig vertraut mit Themen wie zum Beispiel der Namensänderung war. Klar, sie ist keine Beratungsstelle, aber da sie auch vielen trans Menschen hilft, hätte ich erwartet, dass sie etwas mehr Wissen über diese Themen hätte als ich es damals hatte. Ich musste mir alle Infos immer online zusammensuchen oder befreundete trans Menschen fragen.

Insgesamt kann ich schwer einschätzen, wie viel mir die Therapie gebracht hat. Ich hatte nie das Gefühl, zu große Probleme aufgrund meiner Transsexualität zu haben und nahm die Therapie vor Allem als Absicherung wahr, falls doch Probleme aufkämen. Ich kann aber nicht behaupten unzufrieden zu sein. Hin und wieder haben die Gespräche mir geholfen, Gedanken zu sortieren, die sich nur im Gespräch sortieren ließen. Dafür hätten mir vermutlich oft auch Gespräche mit anderen Menschen geholfen, aber im Therapieverhältnis hab ich da doch noch etwas anders über einige Themen sprechen können als mit Freunden.

Anfang des Jahres war ich dann ja auch noch 5 Wochen in einer psychiatrischen Tagesklinik. Ich habe darüber im verlinkten Post schon etwas geschrieben, aber das Fazit der Zeit war: Es hat mir sehr geholfen. Ich war dort aufgrund meiner immer schlimmer werdenden Depressionen und wurde dort aus meinem kaum noch zu ertragenden Alltag heraus gerissen. Ich verbrachte meine Tage dort und nur meine Abende und Nächte zu Hause, was mir schon allein gut tat. Dann lernte ich dort mit Problemen besser umzugehen, lernte, mehr auf mich selbst zu achten, deutlicher Bedürfnisse und Wünsche zu kommunizieren, Probleme anzusprechen. Den Stein für einige Fähigkeiten brauchte tatsächlich bereits vor der Tagesklinik eine Beziehung ins Rollen, aber in der Tagesklinik verbesserte ich sie noch deutlich. Ich bin immer noch sehr glücklich drüber, diese Dinge gelernt zu haben, denn sie sind nicht nur in der Depression nützlich, sondern allgemein im Umgang mit schwierigen Situationen.

Aber so gut mir die Tagesklinik tat: Das Individuum kam dort ziemlich kurz. Ich hatte das Glück, dass mir das Therapieprogramm dort viel brachte, ich weiß aber von einigen Menschen, die mit dem Programm nichts anfangen konnten. Da es nicht individualisierbar war, brachte sie die Tagesklinik daher nicht voran. Weiterhin ließ sich ein Termin nur telefonisch ausmachen. Da ich insbesondere während der Depression ja ziemliche Probleme mit Telefonieren hatte, ist es eigentlich einem guten Freund zu verdanken, dass ich überhaupt einen Platz bekommen habe. Er hat mich in einem Moment, in dem es mir einigermaßen gut ging, genug dazu gedrängt, dort anzurufen, dass ich es tat. (Gedrängt ist dabei nicht als Zwang zu verstehen; ich hab ihn in einem schlechten Moment darum gebeten, mich in einem guten Moment davon zu überzeugen, anzurufen.)

Alles in allem hab ich sehr positive Erfahrung mit Therapien gemacht, muss allerdings sagen, dass es im Bedarfsfall verdammt schwer ist Hilfe zu finden, die dann auch noch passen muss. Eigentlich viel zu schwer. Wenn eins diese Hilfe aber erst einmal gefunden hat, kann das unglaublich nützlich sein und gut tun.

Libido

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Sex

Ich möchte in diesem Post über ein Thema sprechen, über das ich bisher nie öffentlich gesprochen habe, nämlich über den Einfluss der Hormone auf meine Libido. Ich werde hier nicht auf irgendwelche Vorlieben oder derlei Dinge eingehen, sondern möchte einfach aufzeigen, was für einen starken Einfluss Hormone auf diesen Aspekt meines Lebens hatten und haben. Ich hab lange überlegt, ob ich dieses Thema ansprechen möchte, hab es ja auch etwa 1,5 Jahre tatsächlich nicht angesprochen, fühle mich mittlerweile bei dem Thema aber sicherer und halte es sowieso für ein eigentlich wichtiges Thema.

Die Hormone hatten und haben einen ziemlich großen Einfluss auf meine Libido. Vor meiner Hormontherapie war sie für mein Wohlgefühl unangenehm hoch. Ich hatte ziemlich oft sexuelles Verlangen, selbst wenn ich es in den Momenten als störend und ablenkend empfand, was mir tatsächlich auch viel Freude am Sex genommen hat. Wie gesagt will ich nicht zu sehr in die Details gehen, aber das war anstrengend.

Mit der Hormontherapie ließ die Libido deutlich nach. Diese Wirkung setzte tatsächlich ziemlich früh ein, nach wenigen Wochen, wenn ich mich recht erinnere. Ich empfand es als große Entlastung. Das Interesse an Sex mit anderen oder mir selbst war lange Zeit kaum vorhanden. Dass ich vorher ständig das Bedürfnis danach hatte und Sex dadurch zur reinen Bedürfnisstillung geworden ist, hatte die Konsequenz, dass jetzt ohne das Bedürfnis erst recht kein Interesse daran vorhanden war. Erst einige Monate später entwickelte ich wieder ein Interesse an Sex und eigentlich zum ersten Mal “aus freien Stücken”, ohne dass ich ein körperliches Verlangen danach verspürte.

Ich bin mittlerweile an einem Punkt angekommen, an dem ich Sex endlich als etwas schönes empfinde. Eins könnte also fast schon sagen, dass mir die Hormone dabei geholfen haben, mich selbst besser kennen zu lernen. Leider kommt das aber auch mit hohen Kosten. Die fehlende Libido sorgt dafür, dass ich es deutlich schwerer habe, körperlich zu klassischem Sex in der Lage zu sein. Ich habe mittlerweile oft genug erlebt, dass ich nicht dazu in der Lage war, eine Erektion zu bekommen. Ich habe daher mittlerweile das auch gar nicht mehr als Ziel, wenn ich mit Menschen intim werde – die Intimität ist Selbstzweck, ein Orgasmus ein i-Tüpfelchen. Das war gerade anfangs ungewohnt und frustrierend, weil ich es so bis dahin nicht kannte, aber nach einer Zeit der Umgewöhnung muss ich sagen, dass es mir so eigentlich fast besser gefällt. Seit nicht mehr ein Orgasmus das Ziel von Intimität und Sex ist, nehme ich mir mehr Zeit für Dinge, die ich bis dahin höchstens als Vorspiel betrachtet habe und lerne, dass diese auch einen ganz eigenen Reiz haben und für mich auch schön sind. Sehr anders, aber schön.

Kurzum: Durch die Hormone ist es deutlich schwerer, eine Erektion zu bekommen und auch das Bedürfnis nach Sex ist deutlich gefallen. Insgesamt war das für mich direkt mehrmals eine Umstellung, mittlerweile bin ich aber ziemlich glücklich mit dem Status Quo.