Geschlecht ist nicht binär, Teil 2

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Genitalien

Im ersten Teil dieser Reihe habe ich mich damit befasst, dass die Geschlechtszugehörigkeit von Menschen sich nicht auf nur zwei verschiedene Geschlechter runterbrechen lässt. Heute möchte ich stattdessen vor allem auf den biologischen Aspekt eingehen. Denn ich weiß, dass oft das Argument fällt, dass es biologisch betrachtet doch nur zwei Geschlechter gibt und die seien nun einmal verschieden. So weit dieses Denken auch verbreitet ist: Es ist nicht richtig und ich möchte mir heute die Zeit nehmen darüber zu reden, warum es das nicht ist. Ich werde am Ende dieses Beitrags weiterführende Lektüre verlinken, die sich mit dem Thema “Geschlecht ist nicht binär” beschäftigt, den Artikel selbst aber nicht zu wissenschaftlich, sondern lieber anschaulich halten.

Geschlecht wird oft auf die Gene zurückgeführt. Es heißt, wenn das letzte Chromosomenpaar XY ist, bist du männlich, wenn es XX ist, bist du weiblich. Schon hier beginnen die Schwierigkeiten. Es gibt Menschen, bei denen das letzte Chromosomenpaar tatsächlich kein Paar, sondern zum Beispiel ein Tripel wie XXY, ist. Nicht nur das: Die Merkmale, mit denen typischerweise das Geschlecht eines Kindes bei der Geburt bestimmt wird, muss nicht immer zu den Chromosomen “passen” – nicht jeder Mensch mit XY-Chromosomen bildet einen Penis aus, während es einige Menschen mit XX-Chromosomen durchaus tun. Tatsächlich ist der Übergang hier sogar fließend. Es wird im Zweifelsfall die Größe des Genitals gemessen, um das Geschlecht zu bestimmen. Es gibt hier jedoch einen Bereich von einigen Zentimetern, in dem das Kind als weder weiblich noch als männlich eingestuft wird. In aller Regel wird das Kind in diesem Fall operiert, um in die üblichen Grenzen zu passen, manchmal sogar ohne Rücksprache mit den Eltern. Das Kind bekommt demnach hier überhaupt keine Selbstbestimmungsmöglichkeit, obwohl es grundsätzlich durch das Genital nicht in seiner Entwicklung beeinträchtigt werden würde.

Neben dem genitalen und chromosomen Geschlecht können noch mindestens zwei weitere Geschlechter betrachtet werden: Das gonodale (hormonelle) Geschlecht und das gonoduktale Geschlecht. Letzteres betrachtet innere Geschlechtsorgane. Auch zwischen diesen Aspekten körperlicher Geschlechtsmerkmale gibt es fließende Übergange. Alle vier Merkmale können nach klassischer Ansicht untereinander “unpassend” sein. Es ist also zum Beispiel möglich, dass ein Mensch in drei Aspekten eine Ausprägung hat, die als männlich identifiziert wird, während die letzte Ausprägung weiblich ist. Nicht immer werden genau diese vier Aspekte so voneinander abgegrenzt. Je nach Zählweise können mehr oder weniger Aspekte unterschieden werden.

Es gibt verschiedene Studien, die sich mit der Frage befassen, wie verbreitet es ist, dass nicht alle Aspekte vom körperlichen Geschlecht zueinander “passende” Ausprägungen haben. Problematisch ist, dass es durchaus möglich ist, ein Leben lang gar nicht zu bemerken, dass eine der Ausprägungen von der Erwartung abweicht. Eine Formulierung, die in meinem Bekanntenkreis mittlerweile recht oft genutzt wird, ist, dass Intersexualität in etwa so verbreitet wie rote Haare sei. Dies entspricht etwa einem von 100 Menschen. Die genauen Zahlen variieren zwischen einem von 2000 und einem von 150 Menschen. Auf jeden Fall ist es nicht so selten, wie viele Menschen intuitiv anzunehmen scheinen. Statistisch betrachtet sind wir alle schon oft intersexuellen Menschen begegnet, meistens vermutlich ohne dies zu bemerken.

Wenn nun Intersexualität so weit verbreitet ist, stellt sich mir die Frage, warum oft behauptet wird, Geschlecht könne nur binär sein. Sicher, zumindest nach aktuellen Studien ist es wohl so, dass Menschen mit eindeutigem männlichen oder weiblichen körperlichen Geschlecht eine Mehrheit bilden, aber die Menge intersexueller Menschen ist nicht vernachlässigbar klein. Es betrifft viele Menschen. Sich also auf körperliche Aspekte zu berufen, um zu belegen, dass Geschlecht nur zwei Ausprägungen kenne, erscheint mir einfach nicht plausibel.

Geschlecht als binär zu betrachten, ist ein gesellschaftliches Konstrukt. Weder auf körperlicher Ebene noch im Miteinander ist Geschlecht starr und unabänderlich. Es gibt viele Kulturkreise, in denen die Rollenbilder von Geschlechtern sich von den westlichen Rollenbildern grundlegend unterscheiden und/oder mehr Geschlechter als zwei anerkannt werden. Thailand ist dafür ein populäres Beispiel, da dort in der Gesellschaft drei Geschlechterrollen verwurzelt sind. Diese lassen sich dabei nicht vollständig auf westliche Vorstellungen von Geschlecht übertragen. Körperlich ist das Geschlecht keineswegs nur binär, wie ich versucht habe, in diesem Artikel zu erklären. Daher empfinde ich es als äußerst schade, dass viele Menschen trotzdem so sehr an diesem binären System festhalten wollen. Ich möchte nicht, dass Menschen wegen dieses Artikels ihr eigenes Leben anders führen. Ich möchte nicht, dass Frauen, die glückliche, zu Hause bleibende Mütter sind, plötzlich Häuser bauen oder Männer, die mit ihrem Job in der IT zufrieden sind, diesen aufgeben, um als Kindergärtner zu arbeiten. Aber ich möchte, dass sich ein Verständnis verbreitet, dass diese Aufgaben nicht typisch für das eine oder andere Geschlecht sind, sondern die Präferenzen eines einzelnen Menschen sind. Ich wünsche mir, dass Menschen nicht aufgrund ihres Geschlechts unterschiedlich behandelt werden und ich wünschte mir, dass auch Geschlechter abseits von männlich und weiblich anerkannt statt abgelehnt werden.

Alina

P.S.: Für Interessierte möchte ich hier noch einige weiterführende Quellen bereitstellen:

Das Ende der Winterdepressionen?

Ich habe im Laufe der zweiten Jahreshälfte immer wieder erwähnt, dass sich meine Depressionen seit meinem Medikamentenwechsel deutlich verbessert haben. Jetzt, am Ende des Jahres, stelle ich aber noch etwas ganz anderes fest: Dieser Winter ist der erste seit meiner Pubertät, in dem ich nicht mit Winterdepressionen und damit zusammenhängend Antriebslosigkeit zu kämpfen habe. Zum ersten Mal seit Jahren bin ich trotz der Dunkelheit energiegeladen und gerade die letzten Wochen fast ständig unterwegs. Seien es Rollenspielrunden, Krimi Dinner, Escape Rooms, Geburtstags- und Weihnachtsfeiern oder, wie gestern, einfach spontane Treffen mit guten Freunden: Ich habe kaum Leerlauf gehabt und hab das genießen können, anstatt mich damit kaputt zu machen.

Das ist für mich ziemlich unglaublich. Bisher habe ich immer den Winter als die Jahreszeit bezeichnet, die ich am wenigsten mag, eben wegen der Antriebslosigkeit. Dieses Jahr muss ich das revidieren: Ich find’s immer noch doof, wie schnell es dunkel wird, aber es zehrt nicht mehr an meinen Nerven. Ich hoffe immer noch, dass der Winter noch so richtig einsetzt und Schnee mit sich bringt, statt wie die letzten Jahre den Frühling herbei zu sehnen.

Ich vermute, dass tatsächlich mein Vitamin D Mangel die Antriebslosigkeit ausgelöst hat. Da dieser jetzt behandelt wird und meine Werte im Normalbereich sind, halte ich dies für eine ziemlich plausible Erklärung. Aber eigentlich ist mir fast egal, was diese Veränderung bewirkt hat, solange es dabei bleibt. Es tut unglaublich gut, all den Dingen tatsächlich nachgehen zu können, auf die ich Lust habe, und dabei nur von meiner Freizeit, nicht von meiner Energie abhängig zu sein.

In diesem Sinne werde ich jetzt erst einmal kochen gehen, denn ich habe heute Abend noch eine Rollenspielrunde zu leiten 😀

Alina

Kreativität

Bereits während meiner Pubertät habe ich etwas wichtiges festgestellt: Ich habe viele Hobbys und wenig Zeit. Über die Jahre ist das nicht besser geworden. Ich habe besseres Zeitmanagement gelernt, aber insgesamt hab ich eher noch mehr Hobbys auf noch weniger Zeit. Bereits als diese Tendenz damals zum ersten Mal abzusehen war, stellte ich mich daher selbst vor eine Entscheidung: Selbst Musik machen oder zeichnen, aber definitiv nur ein kreatives Hobby! Mir war bewusst, dass ich nicht mehreren kreativen Hobbys gleichzeitig nachgehen könnte, ohne dass dadurch sich alle gegenseitig beeinträchtigen.

Ich entschied mich damals für Musik. Mir wurde immer wieder gesagt, dass ich wohl ein gewisses Talent für’s Singen und ein recht gutes Gehör hätte, während ich beim Zeichnen den Eindruck hatte, nie auch nur im Ansatz die Dinge zu Papier bringen zu können, die ich mir wünschte. Die Entscheidung fiel daher auf die Musik. Ich habe mir irgendwann eine Gitarre zugelegt und angefangen, mir nach und nach das Spielen etwas beizubringen. Ich habe immer wieder gemeinsam mit einem guten Freund Musik gemacht, beziehungsweise in einigen seiner Songs gesungen. Das beste Beispiel ist wohl unsere Cover-Version von All Of My Angels (im Original von Machinae Supremacy). Die Rede ist von Daniel, dem Frontmann von Furious Feedback.

Allerdings kam es letztlich deutlich anders als erwartet. Für meine Gitarre finde ich deutlich weniger Zeit, als ich mir wünschen würde und Musik selbst zu machen blieb immer die Ausnahme. Statt dessen kristallisierte sich mehr und mehr heraus, dass ein anderes kreatives Hobby für mich viel relevanter werden würde. Ein Hobby, dass ich lange Zeit überhaupt nicht beachtet habe. Die Rede ist vom Schreiben.

Wie ihr vermutlich gemerkt habt, schreibe ich diesen Blog. Das ist aber längst nicht alles, was ich schreibe. Seit einigen Jahren nehme ich regelmäßig am so genannten NaNoWriMo teil – einem Schreibwettbewerb, bei dem es darum geht, 50000 Wörter nur im November zu schreiben. Es gibt nichts zu gewinnen, der Ansporn ist dabei vor Allem das miteinander. Es macht einfach Spaß zu wissen, dass außer dir selbst noch einige gute Freunde genau da gleiche Ziel haben.

Leider hab ich es auch dieses Jahr wieder nicht geschafft die 50000 zu erreichen, da ich einfach zu viel mit der Uni und anderen Hobbys ausgelastet war, aber ich habe jedes Jahr wieder Spaß daran. Ich schreibe dort an einer Geschichte weiter, die in nicht allzu ferner Zukunft in einer von einem Konzern regierten Stadt spielt. Während dem Konzern das Wohlergehen der Bewohner der Stadt aber tatsächlich am Herzen liegt, ist diese Welt doch nicht perfekt und so kommt es gegen Ende des Jahre 2099 dazu, dass eine künstliche Intelligenz aufgrund eines “Fehlers” in der Datenverarbeitung wahnsinnig wird und die Infrastruktur der Stadt zerstört. Dazu gehört neben dem Internet auch essenzielle Dinge wie die Strom- und Wasserversorgung. Inmitten des Chaos, welches diese Zwischenfälle auslösen, versucht eine Studentin ihrer Vergangenheit zu entkommen, während ein Detektiv einfach darauf hofft, genug Aufträge zu bekommen um seinen Lebensstandard halten zu können. Durch einen Zufall treffen die ungleichen Charaktere aufeinander und werden tiefer in die Geschehnisse verwickelt, als ihnen lieb ist. Der Titel der Geschichte ist Tertia – Inmitten des Chaos. Ich tweete über diese und meine anderen Geschichten von Zeit zu Zeit auf twitter.com/schreibe_grufty.

Besagte andere Geschichten sind vor Allem meine Fragments of Memories. Es handelt sich dabei um eine Welt, in der ich viele Kurzgeschichten spielen lasse, die am ehesten ins Genre “Horror” fallen. Aktuell bin ich dort dabei, die Hintergründe der Welt zu beleuchten, ihre Entstehung. Ich weiß, dass fünf Zeitalter kamen und gingen, bis die Welt in etwa so aussah, wie ich sie in den bisherigen Geschichten beschrieben habe und gestallte diese Zeitalter aus. Es geht hier um den Kampf mächtiger Wesen und wie sie mit den sterblichen Bewohnern der Welt umgehen. Gerade in den ersten Zeitaltern werden Politik und Intrige eine wichtige Rolle spielen, aber es geht auch oft um Einzelschicksale deren, die in einer grausamen Welt um ihr Überleben kämpfen.

Die ersten Fragments schrieb ich 2012 und hatte immer wieder angedacht, sie auch einmal zu veröffentlichen, was dann doch nie geschah. Aktuell spiele ich wieder mit diesem Gedanken, müsste sie dafür aber vorher noch einmal überarbeiten.

Zu diesem Blog wiederum muss ich vermutlich nicht viel sagen. Seit 2011 blogge ich hier immer wieder und er ist damit das älteste meiner Schreibprojekte. Und das einzige, welches schon öffentlich zugänglich ist.

Kurzum: Weder die Musik noch das Zeichnen sind zu meinem aktiven kreativen Hobby geworden, sondern das Schreiben. Bereut habe ich das nie. Ich würd gern noch zusätzlich Musik machen und Zeichnen, aber ich kann leider nicht alles haben. Und wenn die Wahl daher zwischen diesen drei Hobbys stattfinden muss, dann würde ich jederzeit wieder das Schreiben wählen. Es ist ein tolles Ventil und ich hab Spaß daran. Und es scheint mir zu liegen, sonst hätte ich kaum so viele Besucher auf diesem Blog.

Alina

Geschlecht ist nicht binär, Teil 1

Leider betrachten sehr viele Leute Geschlecht immer noch als binär. Ob in den Medien, Schulbüchern, der gesellschaftlichen Erwartung: Fast überall kennt Geschlecht immer nur die Ausprägungen “männlich” und “weiblich”. In Wahrheit ist Geschlecht aber deutlich vielschichtiger. Heute möchte ich den ersten Artikel von vermutlich zweien schreiben, in denen ich genau darauf eingehen möchte.

Ich kenne mittlerweile eine Menge verschiedene Menschen, die nicht einfach männlich oder weiblich sind. Nach und nach hab ich mich dabei immer mehr davon verabschiedet, Menschen nur in diese Kategorien einzuordnen. Ich habe mittlerweile statt dessen eine Art grafische Veranschaulichung entwickelt. Diese ist natürlich auch nicht perfekt und ich werde am Ende des Artikels auf Grenzen dieser Veranschaulichung eingehen, aber ich finde sie deutlich passender, als nur von zwei Geschlechtern auszugehen.

Zum Veranschaulichen von Geschlecht nutze ich gern folgenden Graphen:

GeschlechtAuf der X-Achse findet sich ein Maß an “Weiblichkeit”, auf der Y-Achse ist “Männlichkeit” aufgetragen. Die Geschlechter vieler Menschen lassen sich als Punkt auf diesem Graphen wiederfinden. Schauen wir uns doch mal das nächste Bild an.

Geschlecht_kreiseHier sind die binären Geschlechter “männlich” und “weiblich” markiert. Menschen, deren Geschlecht ein Punkt innerhalb dieser Kreise ist, sind also männlich oder weiblich. Es ist ziemlich deutlich zu sehen, dass hier viel mehr Geschlechter zu finden sind, als nur diese beiden.

Geschlecht_androgynHier ist in Grün eine Art androgynes Spektrum abgetragen. Androgyn ist oft vor Allem auch eine Gender Expression1, welches keinem Binärgeschlecht zugeordnet werden kann. Es wird oft als neutral betrachtet, irgendwo zwischen männlich und weiblich. Männliche und weibliche Aspekte sind also etwa gleichermaßen vorhanden.

Geschlecht_neutroisIn Blau ist hier das Geschlecht “neutrois” eingezeichnet. Es liegt in diesem Graphen im Ursprung, denn es hat keine weiblichen oder männlichen Ausprägungen. In dieser Darstellung ist es also Teil des androgynen Spektrums.

In diesem Graphen können aber noch deutlich mehr Geschlechter gefunden werden. Demi-Girl zum Beispiel ist ein Geschlecht, welches sich zwar nah am weiblichen Geschlecht befindet, aber es nicht ganz erreicht.

Es ist allerdings auch möglich, dass sich Geschlechter nicht durch einen einzelnen Punkt abdecken lassen. Bei genderfluiden Menschen ändert sich das Geschlecht abhängig von der Zeit oder der Situation. Sie würden also auf mehrere Punkte oder vielleicht sogar eine oder mehrere Flächen abbilden lassen.

Das Modell hat aber Grenzen. Es gibt Menschen, die haben kein Geschlecht. Dies wird agender genannt. Agender Menschen lassen sich in diesem Graphen nicht darstellen, weil der Graph nur ein Geschlecht abbilden kann/soll, etwas, das agender Menschen gar nicht haben. Es gibt auch Geschlechter, die nicht zwischen männlich und weiblich liegen. Dieses Konzept nennt sich auch aporagender. Für diese bräuchte es weitere Achsen, denn ihr Geschlecht bezieht sich nicht auf eines der zwei Binärgeschlechter, sondern ein anderes Geschlecht, welches hier einfach nicht abgebildet ist.

Ins Gesamt ist dieser Graph also nicht perfekt und erhebt auch nicht den Anspruch darauf. Vielmehr soll er zeigen, dass Geschlecht vielschichtiger als nur “männlich” und “weiblich” ist und ich glaube, das lässt sich trotz seiner Grenzen in dieser Darstellung deutlich besser veranschaulichen als nur mit den Labels “männlich” und “weiblich”.

“Aber Alina, biologisch betrachtet…”

Halt! Stopp! Einen Augenblick! Auf das Thema Geschlecht und Biologie möchte ich in einem separaten Artikel eingehen, der hoffentlich in ein paar Tagen fertig werden wird. Ich bitte also um ein bisschen Geduld 🙂

Alina

1 Gender Expression bezeichnet das Auftreten eines Menschen, seine Außenwirkung, bestehend aus Kleidung, Frisur, Körpersprache, Stimme und anderen Aspekten, die bestimmten Geschlechtern zugeordnet werden.

Danke

Heute, am 15.12.2015, hat mein Blog einen Meilenstein erreicht: Dieser Monat ist gerade erst halb um und doch ist es bereits jetzt der meistbesuchte Monat seitdem ich vor knapp über vier Jahren auf WordPress als Software und alinas-chaos.de als Domain umgestiegen bin. Vermutlich noch heute, sehr sicher aber morgen, werden diesen Monat 2000 Besucher meinen Blog beehrt haben. Das sind viele, viele Leute.

Es ist für mich überwältigend, dass mittlerweile so viele Leute meinen Blog lesen und die Besucher- und Aufrufszahlen diesen Monat, wohl durch’s tägliche Bloggen, so in die Höhe schießen. Ich habe mit diesem Blog eine Reichweite, die ich mir nie erträumt hätte. Ich kann das gar nicht wirklich in Worte fassen, es ist überwältigend!

Daher: Danke. Danke für all die Leute, die hier geblieben sind, obwohl ich nicht immer regelmäßig zum Bloggen komme und genauso an alle, die in jüngerer Zeit erst hierher gefunden haben. Danke an alle trans Menschen, die hier sind, weil sie sich verstanden fühlen oder hier hilfreiche Informationen finden und danke an alle cis Menschen, die einfach neugierig sind. Wer auch immer ihr seid: Danke, dass ihr diesen Blog habt groß werden lassen.

Und auch wenn dieser Blogpost jetzt zumindest im Vergleich der letzten Tage eher kurz ausfällt, möchte ich ihn so stehen lassen. Er liegt mir zu sehr am Herzen, als das ich ihn verwässern möchte.

Noch einmal: Danke!

Alina

Der Status des Studiums

Ich habe schon lange nicht mehr über mein Studium gebloggt, was eigentlich schon schade ist, schließlich ist es der Teil meines Alltags. Also wird es langsam mal wieder Zeit.

Ich begann im Sommersemester meinen Master of Science, nachdem ich meinen Bachelor deutlich schlechter als ich mir gewünscht hatte abgeschlossen habe. Gerade auch die Bachelor-Arbeit lief… sehr schlecht. Ich bin mit ihr rückblickend kein bisschen zufrieden. Das Timing für die Arbeit war grandios schlecht, da die Depression gerade schlimm wurde, und die Kommunikation meines Betreuers dürftig. Ich bin froh, das einfach irgendwie hinter mich gebracht zu haben und nutzte den Beginn meines Masters als Neustart.

Tatsächlich bin ich dieses Semester so motiviert, wie selten zuvor. Das liegt insbesondere daran, dass ich dieses Semester endlich in einem Themenbereich durchstarte, den ich mir ganz bewusst bis zum Schluss aufbewahrt habe: Computergrafik.

So lange ich mich zurück erinnere, habe ich den Wunsch irgendwann eigene Computerspiele zu entwickeln und Computergrafik ist ein wichtiger Teilaspekt davon. Ein meiner Meinung nach unglaublich spannender Teilaspekt noch dazu! Computergrafik ist die erste Vorlesung, in der ich konsequent und freiwillig jedes Übungsblatt mache, trotz vieler Mängel an den Formulierungen der Aufgaben unglaublich viel Spaß daran und bisher die maximal mögliche Punktzahl erreicht habe. Und das ist ja erst der Anfang: In den nächsten Semestern warten eine ganze Menge weiterführende Vorlesung im gleichen Themenbereich auf mich und ich bin hochmotiviert!

Leider kann ich nicht nur Vorlesungen zum Thema Computergrafik hören. Ich brauche auch einige Vorlesungen aus anderen Bereichen der Informatik und höre dort aktuell Vorlesungen zum Thema Verschlüsselungen und Kryptographie. Auch dieses Themenfeld ist ziemlich interessant und für mich eine Art zweites Stützbein. Ich hab genug Spaß an diesem Bereich, dass ich ihn als berufliche Alternative fest im Auge behalte.

Aber auch Abseits der Informatik muss ich einige Bereiche abdecken. So höre ich im Ergänzungsfach die Vorlesung Virtual Engineering, die ich als Mix aus einer großen Menge Maschinenbau, etwas Informatik und einigem Management bezeichnen würde. Schwer zu beschreiben und meiner Meinung nach recht trocken, aber im nächsten Semester kann ich dann an einem recht interessanten Praktikum teilnehmen. Die Wahl des Ergänzungsfaches war allerdings für mich sowieso schon keine leichte, da erschien mir dieses Thema als kleinstes Übel und ich bin ganz zufrieden damit. Zwei andere Ergänzungsfächer hab ich ausprobiert und abgebrochen.

Außerdem hab ich letztes Semester endlich wieder einen Schwedisch-Kurs besucht. Ich hätte ihn gern dieses Semester weitergeführt, allerdings überschnitt sich der Termin mit einem anderen, wichtigen Termin und ich konnte daher nicht teilnehmen.

Nachdem ich in der schweren Zeit meiner Depression das Studium beinah geschmissen hätte, bin ich mittlerweile wieder unglaublich glücklich mit meinem Studium. Spätestens dadurch, dass ich nebenher auch noch einem HiWi-Job als Tutorin nachgehe, welcher eine Erstsemestervorlesung begleitet, hab ich ziemlich viel um die Ohren, aber ich hab trotzdem Spaß dran.

Bringt eins dann noch das aktuelle Durcheinander meiner Freizeit mit in den Mix, entsteht ein Chaos, welches dem Titel dieses Blogs würdig ist. Immerhin hab ich auch am Durcheinander der Freizeit unglaublich viel Freude. Es ist zwar anstrengend, aber ich habe aktuell eine unglaublich tolle Zeit. Da werde ich mich sicher nicht darüber beschweren!

Alina

Imaginäre Freunde, Kuscheltiere und Copingmechanismen

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Depressionen, Mobbing

Das Thema, das ich heute ansprechen möchte, ist schon wieder eines, welches ich schon ewig vor mir her schiebe. Primär hatte ich hier tatsächlich Angst vor der Reaktion. Seit ich aber weiß, dass ich damit nicht allein stehe und die Bestätigung meiner Therapeutin habe, dass das, wovon ich hier sprechen möchte, nicht krankhaft ist, sondern im Gegenteil sehr sinnvoll, möchte ich es doch endlich ansprechen. Aber lasst mich vorne anfangen.

Ich bin in der Schule gemobbt worden. Das fing spätestens in der achten Klasse an. Damals fing ich an, mir die Haare wachsen zu lassen und schwarz zu tragen. Ich war nie allzu sportlich, hab selten in meiner Klasse(nstufe) FreundNinnen gefunden. Ich muss für die mich mobbenden Menschen das gewesen sein, was sie für ein leichtes Ziel hielten. Nur war ich es nicht ganz.

Ich entwickelte damals etwas, was ich heute gern als Mindset bezeichne. Es umfasst meine Laune und Grundstimmung und beeinflusst, wie ich auf Dinge reagiere. Damals entstand ein arrogantes Mindset. Wenn jemand mich verärgern oder verletzen wollte, trat ein Schutzmechanismus in Kraft, durch den ich in dieses arrogante Mindset wechselte und mich einfach besser fühlte als die mich mobbenden Menschen. Ich fühlte mich ihnen überlegen. Ich blickte auf sie herab. Durch diese Haltung haben es diese Menschen nie geschafft, wirklich an mich heran zu kommen. Ich nahm sie höchstens als kleines Ärgernis war, aber sie waren es nicht wert, mehr Beachtung zu erhalten. Ich bin nicht unbedingt stolz darauf, wie ich in diesem Mindset mit Menschen umgehe, von denen ich in dem Moment glaube, sie wollen mir böses, aber es hilft mir, nicht daran zu zerbrechen. Und hat mich heil durch meine Schulzeit getragen.

Ich möchte an dieser Stelle betonen: Das Mobbing hat bis zum Abitur nach dem dreizehnten Schuljahr nicht aufgehört. Fünf Jahre lang, vielleicht mehr, bin ich gemobbt wurden, obwohl ich die mich mobbenden Menschen ignoriert habe. Es wird so oft gesagt “Du wirst gemobbt? Ignoriere das einfach, dann hört es von selbst auf!” Ich kann leider aus eigener Erfahrung sagen, dass das nicht hilft. Es geht trotzdem weiter. Ich glaube zwar, dass ich deshalb weniger gemobbt wurde, aber ganz aufgehört hat es nie.

Das Mindset hat in meinem Leben eine derart wichtige Rolle gespielt, dass ich eine ganze Persönlichkeit um dieses Mindset herum erfand. Ich erfand mir eine Art imaginären Freund, dem ich dieses Mindset als Persönlichkeit zuordnete. Diese Person bekam sogar einen eigenen Namen: Gotos. Gotos war damals ein alter Nickname gewesen, den ich eine Weile online verwendet habe und der eigentlich keine Bedeutung hat, sondern nur zusammengewürfelte Buchstaben sind. Dennoch ist der Name hängen geblieben.

Gotos begleitet mich bis heute.  Es ist sogar so, dass ich mittlerweile viel bewusster mit ihm umgehe. Ich führe (Selbst-)Gespräche mit ihm und er ist mittlerweile Protagonist einer Kurzgeschichtensammlung geworden, die eine fiktive Hintergrundgeschichte zu ihm beleuchtet. Allerdings pflege ich dieses Verhältnis vor Allem deshalb so sehr, weil ich gemerkt habe, wie gut er mir bis heute tut. Er hat mir manches Mal den Hintern gerettet.

Ich erinnere mich an einen besonders schlimmen Tag in der schlimmen Zeit meiner Depression, an dem ich auf dem Boden saß und weinte. Ich hatte nicht mal mehr die Kraft mich auf mein Bett zu ziehen. Mein Notfallmedikament war in der Gemeinschaftsküche meines Flurs, im Kühlschrank, und damit für mich unerreichbar. Ich hatte nicht im Ansatz genug Löffel, um über den Flur bis in die Küche und zurück zu gehen. In dem Moment trat aber das Gotos-Mindset hervor. Plötzlich war eine Wut in mir, auf meine Depression, nicht auf mich. Plötzlich war da Energie. Ich konnte aufstehen, stapfte wütend in die Küche, griff nach dem Medikament und noch etwas Süßem, um die Wartezeit bis das Medikament wirkte zu überbrücken und stapfte wütend zurück. Erst als ich in meinem Zimmer auf dem Stuhl saß und die Tropfen des Medikaments abgezählt hatte, fiel das Mindset wieder ab und ich blieb verwirrt darüber zurück, wie zur Hölle ich das gerade geschafft hatte.

Seit spätestens dieser Erfahrung empfinde ich dieses Mindset als unglaublich hilfreich und ich bemühe mich, den Zugang zu ihm zu verbessern. Seit her ist Gotos in Form des imaginären Freundes wieder deutlich präsenter für mich.

Aber Gotos ist nicht der einzige Copingmechanismus in dieser Richtung. Wer mir auf Twitter folgt oder meine Streams schaut, kennt meine Flauschi – ein Rotpanda-Plüschtier. Flauschi ist eine Art Maskottchen meiner Streams geworden. Sie sitzt grundsätzlich so auf meinem Mikro, dass sie in jedem Stream zu sehen ist. Tatsächlich hat sie sogar einen eigenen Twitteraccount, bloggt seit Kurzem selbst ein wenig und vor Allem hilft sie mit, in meinem Stream-Chat zu moderieren. Natürlich kann ein Plüschtier das alles nicht wirklich – den Twitteraccount und Blog schreibe ich aus ihrer Sicht, im Chat arbeitet eine Bot-Software im Hintergrund unter ihrem Namen, aber meine Community hat sie schon seit langem als eigene Persönlichkeit anerkannt und zieht voll und ganz mit, wenn ich behaupte, Flauschi sei eine eigene Person und mache das alles selbst.

Tatsache ist: Auch sie ist eine imaginäre Freundin von mir. Eine, die einen sehr, sehr ausgeprägten Charakter hat, gerade auch, weil sie in meinen Streams und auf Twitter dabei ist und sie einfach auch von anderen Leuten involviert wird. Sie ist so etwas wie meine kindliche Seite. Aber auch sie ist ein Copingmechanismus. Während sie, wenn es mir gut geht, eine aufmerksame, aber auch aufgedrehte und neugierige Persönlichkeit besitzt, so ist sie, wenn es mir schlecht geht, ein Ruhepol und jemand, an den ich mich kuscheln kann – auch wenn sie ziemlich klein ist. Das ist auch der Grund, warum viele Leute glauben, ich habe sie seit meiner Geburt – sie sieht mittlerweile ziemlich durchgeflauscht aus, obwohl ich sie erst 1,5 Jahre bei mir habe.

Beide, Gotos und Flauschi, sind für mich ziemlich wichtige Selbstschutzmechanismen, aber auch deutlich mehr. Ich hab längst akzeptiert, dass sie eben auch imaginäre Freunde sind, die ich sogar ein Stück weit mit anderen Menschen, die dafür offen sind, teilen kann. Ich versuche nicht, mir “abzugewöhnen”, sie als existent zu behandeln. Mir ist bewusst, dass sie es nicht sind, aber wenn ich nicht nur Freude dran hab, sie so zu behandeln, warum sollte das ein Problem sein? Zumal sie mir ja sogar gut tun.

Ich hab lange Zeit die Sorge gehabt, wenn ich über diese beiden sprechen würde, würden Leute mir Schizophrenie oder, gerade im Falle von Gotos, eine multiple Persönlichkeit unterstellen, aber das sind sie nicht. Sie sind so etwas wie imaginäre Freunde und Copingmechanismen, aber mehr nicht. Sie sind für mich eine Stütze, keine Last. Es hat aber dennoch lange gedauert, bis ich mich getraut habe, so offen drüber zu sprechen. Ich habe erst andere Menschen kennen lernen müssen, die auch imaginäre Freunde oder ähnliche Copingmechanismen haben, bevor ich mich das getraut hab. An dieser Stelle danke an euch! Ihr wisst, wer ihr seid.

Ich hoffe, dass dieser Artikel vielleicht ein paar Menschen hilft, die ähnliche Copingmechanismen oder imaginäre Freunde haben, diese etwas besser zu akzeptieren. Es ist nichts verwerfliches oder schlimmes, im Gegenteil kann es eine Bereicherung sein!

Alina

Der große Topf des Gender-Nonconformings

Ich hab in diesem Blog hin und wieder erwähnt, dass ich so meine Probleme habe mit Menschen, die aus verschiedenen Gründen in die Rolle eines anderen Geschlechts schlüpfen, ohne sich diesem zugehörig zu fühlen. Ich möchte direkt an dieser Stelle erwähnen: Ich möchte niemandem verbieten, dies zu tun. Ich möchte es auf keinen Fall schlecht reden. Aber ich sehe leider problematische Strukturen, die sich entwickelt haben und möchte an dieser Stelle erklären, wie ich diese Strukturen verstehe, und warum ich sie als problematisch erachte. Noch einmal: Ich möchte nicht die Tätigkeiten an sich verteufeln.

Der Artikel “Warum ich kaum in Trans*-Communities aktiv bin” schlägt in eine ähnliche Bresche wie dieser Artikel, auch wenn meine Wortwahl dort noch sehr anders war. (Wow, hat sich mein Stil in den letzten 1,5 Jahren verändert! :O) Heute möchte ich den Fokus aber etwas anders setzen. Ich möchte dazu die Rocky Horror Show als Beispiel nehmen.

In der Rocky Horror Show gibt es den Charakter Frank N. Furter, welcher in dem Stück als Transvestit bezeichnet wird. Leider sagt dieser selbst, er käme aus “Transsexual, Transsylvania” – gemeint ist hier wohl, dass Frank N. Furter vom Planeten “Transsexual” aus der Galaxie “Transsylvania” stammt, aber die Formulierung ist leicht falsch zu interpretieren, als sei transsexual hier ein Attribut für Transsylavia. “Ich komme aus dem transsexuellen Transsylvanien”.

Furter ist wie die ganze Show ziemlich überdreht und zu ihm passt meiner Meinung nach mit seinem Auftreten und seinen Outfits das Label Drag Queen. Eine sehr extrovertierte Persönlichkeit und aufreizende Kleidung machen ihn in meinen Augen aus.

Das Problem das ich damit habe? Zu oft werden Personen in Drag und Transsexuelle in einen Topf geworfen. Ich hab mit Personen in Drag an sich kein Problem, aber ein Problem damit, dass dies in der Öffentlichkeit als repräsentativ für Transsexualität missverstanden wird und ich mich damit nicht identifizieren kann. Ich finde es bedenklich, dass dies nicht getrennt wird, denn es fehlen jungen transsexuellen Menschen damit Vorbilder. Ich hab in meiner Pubertät jahrelang ausgeschlossen, trans zu sein, weil ich nur Personen in Drag kannte und wusste, dass ich so nicht bin. Ich hielt Personen in Drags für transsexuell und die einzige Form, in der eins aus dem zugewiesenen Geschlecht ausbrechen könnte.

Diese Probleme führten dazu, dass ich bis heute Personen in Drag nichts abgewinnen kann. Wie gesagt, ich möchte es nicht verteufeln oder gar verbieten. Menschen haben Spaß daran und ich finde das absolut in Ordnung. Aber diese Strukturen sind ein Problem, bei dem ich selbst nicht so recht weiß, wie dies angegangen werden könnte. Ich glaube, transsexuelle Menschen kämpfen schon oft dagegen an, als Personen in Drag dargestellt zu werden. Ich weiß nicht, wie oft es Personen in Drag umgekehrt passiert und wie sehr sie dagegen kämpfen. Letztlich kann ich wahrscheinlich nur hoffen, dass durch einen offeneren Umgang mit trans Themen die Unterschiede mehr ins öffentliche Bewusstsein dringen.

In diesem Artikel bin ich jetzt vor allem auf den Unterschied zwischen Personen in Drag und Transsexuellen eingegangen beziehungsweise auf die Probleme, die ich als Transsexuelle mit falschen Labels habe. Ich bin aber sicher, dass das nicht nur für diese Gruppen gilt. Transvestiten, Cross-Dresser und andere Menschen die, dauerhaft oder zeitweise, mit ihrem zugewiesenen Geschlecht brechen, werden vermutlich ähnliche Probleme haben. Meinem Eindruck nach werden wir alle in einen großen Topf geschmissen, der uns in der Öffentlichkeit sämtliche Diversität raubt. Ich hoffe, dass dieser Artikel dazu betragen kann, dieses Problem in den Fokus zu rücken um Lösungen dafür zu finden.

Alina

P.S.: Fall jemand einen schönen, griffigen, genderneutralen Begriff für “Personen in Drag” hat, wäre ich darum sehr dankbar, ich kenne leider keinen 🙁

Kritik und Kommunikation

Vor kurzem erhielt ich auf ask.fm folgende Frage: “Hast du mal eine Kritik bekommen über die du heute noch froh bist? Was macht eine wirklich hilfreiche Kritik aus?”. Das kam mit erstaunlich gutem Timing, war ich doch sowieso am Überlegen mal darüber zu bloggen, wie ich zu Kritik stehe.

Mein Verständnis von Kritik hat sich über die Jahre sehr gewandelt. In meiner Jugend war ich wohl ziemlich kritikunfähig, so rückblickend. Ich glaube, dass das mit meinem Outing besser wurde, aber bin mir da nicht so richtig sicher. Was aber sehr prägend war, war der Tutorenworkshop.

Ich bin nicht sicher, ob ich hier im Blog je erzählt habe, dass ich seit dem Wintersemester 2013/2014 an meiner Uni Tutorien zum Thema Programmieren halte. Die Tutorien sind dabei begleitend zur Vorlesung und vor Allem dafür gedacht, in kleineren Gruppen Verständnisprobleme zu lösen und etwas Praxis zu bekommen, während in den Vorlesungen reiner Frontalunterricht stattfindet. Um für diese Tutorien gewappnet zu sein, hab ich in der vorangehenden vorlesungsfreien Zeit an einem Workshop teilgenommen, der neue TutorNinnen auf ihren Job vorbereiten soll. Neben Einheiten, in denen das Lösen schwieriger Situationen geübt wird und solchen, in denen moderne Unterrichtsmethoden erklärt werden, gab es dort auch eine Einheit zum Thema Kritik bekommen und geben.

Ich begriff hier zum ersten Mal so richtig, was mittlerweile für mich ein Teil meiner Lebensphilosophie ist: Kritik sollte immer angenommen werden, nicht direkt abgelehnt. Es ist durchaus in Ordnung, Kritik für sich selbst in einen geistigen Papierkorb zu legen, aber es führt nicht zu einer konstruktiven Diskussion, wenn die Kritik direkt abgeblockt wird. Nachfragen wiederum sind natürlich erlaubt und erwünscht.

Umgekehrt sollte Kritik aber auch immer respektvoll vorgebracht werden. Dazu gehört vor Allem auch, sie nicht als objektiv richtig darzustellen. Statt dessen ist es hilfreich, “Ich-Botschaften” zu senden. Das bedeutet, ich versuche meinen Standpunkt zu einer Sache zu erläutern und warum ich empfinde, was ich empfinde. Statt “Du hättest das so und so machen müssen!” versuche ich lieber “Mir hätte es besser gefallen, wenn du es so und so gemacht hättest” zu sagen. Natürlich decken “Ich-Botschaften” aber nicht alles an nötigen Respekt ab, aber es sollte hoffentlich klar sein, dass “Ich finde das dämlich!” (oder gar schlimmere Ausdrücke) meistens kein respektvoller Umgang sind.

Grundsätzlich wurde mir dort auch beigebracht, dass es auch wichtig ist, nicht nur negatives hervorzuheben. “Ich finde, du hast dieses eine Problem super gelöst!” ist auch Kritik und ebenso wichtig! Ich tu mich mit der Balance meist selbst etwas schwer, wenn ich versuche jemanden zu kritisieren, den ich kaum kenne. Es fallen mir dann meist nur die negativen Dinge auf, die positiven übersehe ich dann gern. Bei Menschen, die ich länger kenne, ist das hoffentlich weniger ausgeprägt, ich hoffe und denke, dass ich mit meinem Verhalten und meinen Reaktionen genug positive Kritik äußere. Wie ich aber gleich noch erläutern werde, befindet sich das sowieso im Wandel.

Denn es gab eine weitere wichtige Erfahrung – die Tagesklinik. Als ich dort in Behandlung war, wurde mir bewusst, wie wichtig es ist, Gefühle und Gedanken zu kommunizieren. Bis heute ist es so, dass ich viel zu viel einfach hinnehme und davon ausgehe, mein Umfeld müsse bemerken, wenn mir etwas gut oder eben auch nicht gefällt. Ich glaube, seit ich in der Tagesklinik war, kommuniziere ich schon ein ganzes Stück direkter, äußere Kritik schneller, aber es ist noch immer so, dass vieles unausgesprochen bleibt. Ich merke jedoch, dass für mich das offene Kommunizieren einen erheblichen Mehrwert bietet. In verschiedenen Situationen konnte ich so vermeiden, dass ich Gedanken, die mich beschäftigten, in mich rein fraß. Gerade auch in jüngerer Vergangenheit habe ich gemerkt, dass es helfen kann, mir einen Ruck zu geben: Ich spreche Dinge an, die ich mir wünschen würde, im Glauben, mein Gegenüber würde diese Dinge nicht wollen und es stellt sich heraus, dass diese Person das genauso dachte und es sich nicht anzusprechen traute. Wünsche und Bedürfnisse zu kommunizieren schließt Missverständnisse sicher nicht aus, aber es macht sie weniger wahrscheinlich, als diese Dinge nicht zu äußern.

Dieser offene Umgang mit Kritik und Kommunikation führte bei mir dazu, dass ich die eingangs erwähnte Frage nicht so recht zu beantworten wusste. Ich bekomme nach meinem Kritikverständnis ständig Kritik, da ist es schwer eine ganz bestimmte heraus zu picken. Aber ich glaub, ich bin da gar nicht so unglücklich drüber, denn ich fühle mich mit meinem Umgang mit Kritik ziemlich wohl.

Alina