Der Status des Studiums

Ich habe schon lange nicht mehr über mein Studium gebloggt, was eigentlich schon schade ist, schließlich ist es der Teil meines Alltags. Also wird es langsam mal wieder Zeit.

Ich begann im Sommersemester meinen Master of Science, nachdem ich meinen Bachelor deutlich schlechter als ich mir gewünscht hatte abgeschlossen habe. Gerade auch die Bachelor-Arbeit lief… sehr schlecht. Ich bin mit ihr rückblickend kein bisschen zufrieden. Das Timing für die Arbeit war grandios schlecht, da die Depression gerade schlimm wurde, und die Kommunikation meines Betreuers dürftig. Ich bin froh, das einfach irgendwie hinter mich gebracht zu haben und nutzte den Beginn meines Masters als Neustart.

Tatsächlich bin ich dieses Semester so motiviert, wie selten zuvor. Das liegt insbesondere daran, dass ich dieses Semester endlich in einem Themenbereich durchstarte, den ich mir ganz bewusst bis zum Schluss aufbewahrt habe: Computergrafik.

So lange ich mich zurück erinnere, habe ich den Wunsch irgendwann eigene Computerspiele zu entwickeln und Computergrafik ist ein wichtiger Teilaspekt davon. Ein meiner Meinung nach unglaublich spannender Teilaspekt noch dazu! Computergrafik ist die erste Vorlesung, in der ich konsequent und freiwillig jedes Übungsblatt mache, trotz vieler Mängel an den Formulierungen der Aufgaben unglaublich viel Spaß daran und bisher die maximal mögliche Punktzahl erreicht habe. Und das ist ja erst der Anfang: In den nächsten Semestern warten eine ganze Menge weiterführende Vorlesung im gleichen Themenbereich auf mich und ich bin hochmotiviert!

Leider kann ich nicht nur Vorlesungen zum Thema Computergrafik hören. Ich brauche auch einige Vorlesungen aus anderen Bereichen der Informatik und höre dort aktuell Vorlesungen zum Thema Verschlüsselungen und Kryptographie. Auch dieses Themenfeld ist ziemlich interessant und für mich eine Art zweites Stützbein. Ich hab genug Spaß an diesem Bereich, dass ich ihn als berufliche Alternative fest im Auge behalte.

Aber auch Abseits der Informatik muss ich einige Bereiche abdecken. So höre ich im Ergänzungsfach die Vorlesung Virtual Engineering, die ich als Mix aus einer großen Menge Maschinenbau, etwas Informatik und einigem Management bezeichnen würde. Schwer zu beschreiben und meiner Meinung nach recht trocken, aber im nächsten Semester kann ich dann an einem recht interessanten Praktikum teilnehmen. Die Wahl des Ergänzungsfaches war allerdings für mich sowieso schon keine leichte, da erschien mir dieses Thema als kleinstes Übel und ich bin ganz zufrieden damit. Zwei andere Ergänzungsfächer hab ich ausprobiert und abgebrochen.

Außerdem hab ich letztes Semester endlich wieder einen Schwedisch-Kurs besucht. Ich hätte ihn gern dieses Semester weitergeführt, allerdings überschnitt sich der Termin mit einem anderen, wichtigen Termin und ich konnte daher nicht teilnehmen.

Nachdem ich in der schweren Zeit meiner Depression das Studium beinah geschmissen hätte, bin ich mittlerweile wieder unglaublich glücklich mit meinem Studium. Spätestens dadurch, dass ich nebenher auch noch einem HiWi-Job als Tutorin nachgehe, welcher eine Erstsemestervorlesung begleitet, hab ich ziemlich viel um die Ohren, aber ich hab trotzdem Spaß dran.

Bringt eins dann noch das aktuelle Durcheinander meiner Freizeit mit in den Mix, entsteht ein Chaos, welches dem Titel dieses Blogs würdig ist. Immerhin hab ich auch am Durcheinander der Freizeit unglaublich viel Freude. Es ist zwar anstrengend, aber ich habe aktuell eine unglaublich tolle Zeit. Da werde ich mich sicher nicht darüber beschweren!

Alina

Imaginäre Freunde, Kuscheltiere und Copingmechanismen

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Depressionen, Mobbing

Das Thema, das ich heute ansprechen möchte, ist schon wieder eines, welches ich schon ewig vor mir her schiebe. Primär hatte ich hier tatsächlich Angst vor der Reaktion. Seit ich aber weiß, dass ich damit nicht allein stehe und die Bestätigung meiner Therapeutin habe, dass das, wovon ich hier sprechen möchte, nicht krankhaft ist, sondern im Gegenteil sehr sinnvoll, möchte ich es doch endlich ansprechen. Aber lasst mich vorne anfangen.

Ich bin in der Schule gemobbt worden. Das fing spätestens in der achten Klasse an. Damals fing ich an, mir die Haare wachsen zu lassen und schwarz zu tragen. Ich war nie allzu sportlich, hab selten in meiner Klasse(nstufe) FreundNinnen gefunden. Ich muss für die mich mobbenden Menschen das gewesen sein, was sie für ein leichtes Ziel hielten. Nur war ich es nicht ganz.

Ich entwickelte damals etwas, was ich heute gern als Mindset bezeichne. Es umfasst meine Laune und Grundstimmung und beeinflusst, wie ich auf Dinge reagiere. Damals entstand ein arrogantes Mindset. Wenn jemand mich verärgern oder verletzen wollte, trat ein Schutzmechanismus in Kraft, durch den ich in dieses arrogante Mindset wechselte und mich einfach besser fühlte als die mich mobbenden Menschen. Ich fühlte mich ihnen überlegen. Ich blickte auf sie herab. Durch diese Haltung haben es diese Menschen nie geschafft, wirklich an mich heran zu kommen. Ich nahm sie höchstens als kleines Ärgernis war, aber sie waren es nicht wert, mehr Beachtung zu erhalten. Ich bin nicht unbedingt stolz darauf, wie ich in diesem Mindset mit Menschen umgehe, von denen ich in dem Moment glaube, sie wollen mir böses, aber es hilft mir, nicht daran zu zerbrechen. Und hat mich heil durch meine Schulzeit getragen.

Ich möchte an dieser Stelle betonen: Das Mobbing hat bis zum Abitur nach dem dreizehnten Schuljahr nicht aufgehört. Fünf Jahre lang, vielleicht mehr, bin ich gemobbt wurden, obwohl ich die mich mobbenden Menschen ignoriert habe. Es wird so oft gesagt “Du wirst gemobbt? Ignoriere das einfach, dann hört es von selbst auf!” Ich kann leider aus eigener Erfahrung sagen, dass das nicht hilft. Es geht trotzdem weiter. Ich glaube zwar, dass ich deshalb weniger gemobbt wurde, aber ganz aufgehört hat es nie.

Das Mindset hat in meinem Leben eine derart wichtige Rolle gespielt, dass ich eine ganze Persönlichkeit um dieses Mindset herum erfand. Ich erfand mir eine Art imaginären Freund, dem ich dieses Mindset als Persönlichkeit zuordnete. Diese Person bekam sogar einen eigenen Namen: Gotos. Gotos war damals ein alter Nickname gewesen, den ich eine Weile online verwendet habe und der eigentlich keine Bedeutung hat, sondern nur zusammengewürfelte Buchstaben sind. Dennoch ist der Name hängen geblieben.

Gotos begleitet mich bis heute.  Es ist sogar so, dass ich mittlerweile viel bewusster mit ihm umgehe. Ich führe (Selbst-)Gespräche mit ihm und er ist mittlerweile Protagonist einer Kurzgeschichtensammlung geworden, die eine fiktive Hintergrundgeschichte zu ihm beleuchtet. Allerdings pflege ich dieses Verhältnis vor Allem deshalb so sehr, weil ich gemerkt habe, wie gut er mir bis heute tut. Er hat mir manches Mal den Hintern gerettet.

Ich erinnere mich an einen besonders schlimmen Tag in der schlimmen Zeit meiner Depression, an dem ich auf dem Boden saß und weinte. Ich hatte nicht mal mehr die Kraft mich auf mein Bett zu ziehen. Mein Notfallmedikament war in der Gemeinschaftsküche meines Flurs, im Kühlschrank, und damit für mich unerreichbar. Ich hatte nicht im Ansatz genug Löffel, um über den Flur bis in die Küche und zurück zu gehen. In dem Moment trat aber das Gotos-Mindset hervor. Plötzlich war eine Wut in mir, auf meine Depression, nicht auf mich. Plötzlich war da Energie. Ich konnte aufstehen, stapfte wütend in die Küche, griff nach dem Medikament und noch etwas Süßem, um die Wartezeit bis das Medikament wirkte zu überbrücken und stapfte wütend zurück. Erst als ich in meinem Zimmer auf dem Stuhl saß und die Tropfen des Medikaments abgezählt hatte, fiel das Mindset wieder ab und ich blieb verwirrt darüber zurück, wie zur Hölle ich das gerade geschafft hatte.

Seit spätestens dieser Erfahrung empfinde ich dieses Mindset als unglaublich hilfreich und ich bemühe mich, den Zugang zu ihm zu verbessern. Seit her ist Gotos in Form des imaginären Freundes wieder deutlich präsenter für mich.

Aber Gotos ist nicht der einzige Copingmechanismus in dieser Richtung. Wer mir auf Twitter folgt oder meine Streams schaut, kennt meine Flauschi – ein Rotpanda-Plüschtier. Flauschi ist eine Art Maskottchen meiner Streams geworden. Sie sitzt grundsätzlich so auf meinem Mikro, dass sie in jedem Stream zu sehen ist. Tatsächlich hat sie sogar einen eigenen Twitteraccount, bloggt seit Kurzem selbst ein wenig und vor Allem hilft sie mit, in meinem Stream-Chat zu moderieren. Natürlich kann ein Plüschtier das alles nicht wirklich – den Twitteraccount und Blog schreibe ich aus ihrer Sicht, im Chat arbeitet eine Bot-Software im Hintergrund unter ihrem Namen, aber meine Community hat sie schon seit langem als eigene Persönlichkeit anerkannt und zieht voll und ganz mit, wenn ich behaupte, Flauschi sei eine eigene Person und mache das alles selbst.

Tatsache ist: Auch sie ist eine imaginäre Freundin von mir. Eine, die einen sehr, sehr ausgeprägten Charakter hat, gerade auch, weil sie in meinen Streams und auf Twitter dabei ist und sie einfach auch von anderen Leuten involviert wird. Sie ist so etwas wie meine kindliche Seite. Aber auch sie ist ein Copingmechanismus. Während sie, wenn es mir gut geht, eine aufmerksame, aber auch aufgedrehte und neugierige Persönlichkeit besitzt, so ist sie, wenn es mir schlecht geht, ein Ruhepol und jemand, an den ich mich kuscheln kann – auch wenn sie ziemlich klein ist. Das ist auch der Grund, warum viele Leute glauben, ich habe sie seit meiner Geburt – sie sieht mittlerweile ziemlich durchgeflauscht aus, obwohl ich sie erst 1,5 Jahre bei mir habe.

Beide, Gotos und Flauschi, sind für mich ziemlich wichtige Selbstschutzmechanismen, aber auch deutlich mehr. Ich hab längst akzeptiert, dass sie eben auch imaginäre Freunde sind, die ich sogar ein Stück weit mit anderen Menschen, die dafür offen sind, teilen kann. Ich versuche nicht, mir “abzugewöhnen”, sie als existent zu behandeln. Mir ist bewusst, dass sie es nicht sind, aber wenn ich nicht nur Freude dran hab, sie so zu behandeln, warum sollte das ein Problem sein? Zumal sie mir ja sogar gut tun.

Ich hab lange Zeit die Sorge gehabt, wenn ich über diese beiden sprechen würde, würden Leute mir Schizophrenie oder, gerade im Falle von Gotos, eine multiple Persönlichkeit unterstellen, aber das sind sie nicht. Sie sind so etwas wie imaginäre Freunde und Copingmechanismen, aber mehr nicht. Sie sind für mich eine Stütze, keine Last. Es hat aber dennoch lange gedauert, bis ich mich getraut habe, so offen drüber zu sprechen. Ich habe erst andere Menschen kennen lernen müssen, die auch imaginäre Freunde oder ähnliche Copingmechanismen haben, bevor ich mich das getraut hab. An dieser Stelle danke an euch! Ihr wisst, wer ihr seid.

Ich hoffe, dass dieser Artikel vielleicht ein paar Menschen hilft, die ähnliche Copingmechanismen oder imaginäre Freunde haben, diese etwas besser zu akzeptieren. Es ist nichts verwerfliches oder schlimmes, im Gegenteil kann es eine Bereicherung sein!

Alina

Der große Topf des Gender-Nonconformings

Ich hab in diesem Blog hin und wieder erwähnt, dass ich so meine Probleme habe mit Menschen, die aus verschiedenen Gründen in die Rolle eines anderen Geschlechts schlüpfen, ohne sich diesem zugehörig zu fühlen. Ich möchte direkt an dieser Stelle erwähnen: Ich möchte niemandem verbieten, dies zu tun. Ich möchte es auf keinen Fall schlecht reden. Aber ich sehe leider problematische Strukturen, die sich entwickelt haben und möchte an dieser Stelle erklären, wie ich diese Strukturen verstehe, und warum ich sie als problematisch erachte. Noch einmal: Ich möchte nicht die Tätigkeiten an sich verteufeln.

Der Artikel “Warum ich kaum in Trans*-Communities aktiv bin” schlägt in eine ähnliche Bresche wie dieser Artikel, auch wenn meine Wortwahl dort noch sehr anders war. (Wow, hat sich mein Stil in den letzten 1,5 Jahren verändert! :O) Heute möchte ich den Fokus aber etwas anders setzen. Ich möchte dazu die Rocky Horror Show als Beispiel nehmen.

In der Rocky Horror Show gibt es den Charakter Frank N. Furter, welcher in dem Stück als Transvestit bezeichnet wird. Leider sagt dieser selbst, er käme aus “Transsexual, Transsylvania” – gemeint ist hier wohl, dass Frank N. Furter vom Planeten “Transsexual” aus der Galaxie “Transsylvania” stammt, aber die Formulierung ist leicht falsch zu interpretieren, als sei transsexual hier ein Attribut für Transsylavia. “Ich komme aus dem transsexuellen Transsylvanien”.

Furter ist wie die ganze Show ziemlich überdreht und zu ihm passt meiner Meinung nach mit seinem Auftreten und seinen Outfits das Label Drag Queen. Eine sehr extrovertierte Persönlichkeit und aufreizende Kleidung machen ihn in meinen Augen aus.

Das Problem das ich damit habe? Zu oft werden Personen in Drag und Transsexuelle in einen Topf geworfen. Ich hab mit Personen in Drag an sich kein Problem, aber ein Problem damit, dass dies in der Öffentlichkeit als repräsentativ für Transsexualität missverstanden wird und ich mich damit nicht identifizieren kann. Ich finde es bedenklich, dass dies nicht getrennt wird, denn es fehlen jungen transsexuellen Menschen damit Vorbilder. Ich hab in meiner Pubertät jahrelang ausgeschlossen, trans zu sein, weil ich nur Personen in Drag kannte und wusste, dass ich so nicht bin. Ich hielt Personen in Drags für transsexuell und die einzige Form, in der eins aus dem zugewiesenen Geschlecht ausbrechen könnte.

Diese Probleme führten dazu, dass ich bis heute Personen in Drag nichts abgewinnen kann. Wie gesagt, ich möchte es nicht verteufeln oder gar verbieten. Menschen haben Spaß daran und ich finde das absolut in Ordnung. Aber diese Strukturen sind ein Problem, bei dem ich selbst nicht so recht weiß, wie dies angegangen werden könnte. Ich glaube, transsexuelle Menschen kämpfen schon oft dagegen an, als Personen in Drag dargestellt zu werden. Ich weiß nicht, wie oft es Personen in Drag umgekehrt passiert und wie sehr sie dagegen kämpfen. Letztlich kann ich wahrscheinlich nur hoffen, dass durch einen offeneren Umgang mit trans Themen die Unterschiede mehr ins öffentliche Bewusstsein dringen.

In diesem Artikel bin ich jetzt vor allem auf den Unterschied zwischen Personen in Drag und Transsexuellen eingegangen beziehungsweise auf die Probleme, die ich als Transsexuelle mit falschen Labels habe. Ich bin aber sicher, dass das nicht nur für diese Gruppen gilt. Transvestiten, Cross-Dresser und andere Menschen die, dauerhaft oder zeitweise, mit ihrem zugewiesenen Geschlecht brechen, werden vermutlich ähnliche Probleme haben. Meinem Eindruck nach werden wir alle in einen großen Topf geschmissen, der uns in der Öffentlichkeit sämtliche Diversität raubt. Ich hoffe, dass dieser Artikel dazu betragen kann, dieses Problem in den Fokus zu rücken um Lösungen dafür zu finden.

Alina

P.S.: Fall jemand einen schönen, griffigen, genderneutralen Begriff für “Personen in Drag” hat, wäre ich darum sehr dankbar, ich kenne leider keinen 🙁

Kritik und Kommunikation

Vor kurzem erhielt ich auf ask.fm folgende Frage: “Hast du mal eine Kritik bekommen über die du heute noch froh bist? Was macht eine wirklich hilfreiche Kritik aus?”. Das kam mit erstaunlich gutem Timing, war ich doch sowieso am Überlegen mal darüber zu bloggen, wie ich zu Kritik stehe.

Mein Verständnis von Kritik hat sich über die Jahre sehr gewandelt. In meiner Jugend war ich wohl ziemlich kritikunfähig, so rückblickend. Ich glaube, dass das mit meinem Outing besser wurde, aber bin mir da nicht so richtig sicher. Was aber sehr prägend war, war der Tutorenworkshop.

Ich bin nicht sicher, ob ich hier im Blog je erzählt habe, dass ich seit dem Wintersemester 2013/2014 an meiner Uni Tutorien zum Thema Programmieren halte. Die Tutorien sind dabei begleitend zur Vorlesung und vor Allem dafür gedacht, in kleineren Gruppen Verständnisprobleme zu lösen und etwas Praxis zu bekommen, während in den Vorlesungen reiner Frontalunterricht stattfindet. Um für diese Tutorien gewappnet zu sein, hab ich in der vorangehenden vorlesungsfreien Zeit an einem Workshop teilgenommen, der neue TutorNinnen auf ihren Job vorbereiten soll. Neben Einheiten, in denen das Lösen schwieriger Situationen geübt wird und solchen, in denen moderne Unterrichtsmethoden erklärt werden, gab es dort auch eine Einheit zum Thema Kritik bekommen und geben.

Ich begriff hier zum ersten Mal so richtig, was mittlerweile für mich ein Teil meiner Lebensphilosophie ist: Kritik sollte immer angenommen werden, nicht direkt abgelehnt. Es ist durchaus in Ordnung, Kritik für sich selbst in einen geistigen Papierkorb zu legen, aber es führt nicht zu einer konstruktiven Diskussion, wenn die Kritik direkt abgeblockt wird. Nachfragen wiederum sind natürlich erlaubt und erwünscht.

Umgekehrt sollte Kritik aber auch immer respektvoll vorgebracht werden. Dazu gehört vor Allem auch, sie nicht als objektiv richtig darzustellen. Statt dessen ist es hilfreich, “Ich-Botschaften” zu senden. Das bedeutet, ich versuche meinen Standpunkt zu einer Sache zu erläutern und warum ich empfinde, was ich empfinde. Statt “Du hättest das so und so machen müssen!” versuche ich lieber “Mir hätte es besser gefallen, wenn du es so und so gemacht hättest” zu sagen. Natürlich decken “Ich-Botschaften” aber nicht alles an nötigen Respekt ab, aber es sollte hoffentlich klar sein, dass “Ich finde das dämlich!” (oder gar schlimmere Ausdrücke) meistens kein respektvoller Umgang sind.

Grundsätzlich wurde mir dort auch beigebracht, dass es auch wichtig ist, nicht nur negatives hervorzuheben. “Ich finde, du hast dieses eine Problem super gelöst!” ist auch Kritik und ebenso wichtig! Ich tu mich mit der Balance meist selbst etwas schwer, wenn ich versuche jemanden zu kritisieren, den ich kaum kenne. Es fallen mir dann meist nur die negativen Dinge auf, die positiven übersehe ich dann gern. Bei Menschen, die ich länger kenne, ist das hoffentlich weniger ausgeprägt, ich hoffe und denke, dass ich mit meinem Verhalten und meinen Reaktionen genug positive Kritik äußere. Wie ich aber gleich noch erläutern werde, befindet sich das sowieso im Wandel.

Denn es gab eine weitere wichtige Erfahrung – die Tagesklinik. Als ich dort in Behandlung war, wurde mir bewusst, wie wichtig es ist, Gefühle und Gedanken zu kommunizieren. Bis heute ist es so, dass ich viel zu viel einfach hinnehme und davon ausgehe, mein Umfeld müsse bemerken, wenn mir etwas gut oder eben auch nicht gefällt. Ich glaube, seit ich in der Tagesklinik war, kommuniziere ich schon ein ganzes Stück direkter, äußere Kritik schneller, aber es ist noch immer so, dass vieles unausgesprochen bleibt. Ich merke jedoch, dass für mich das offene Kommunizieren einen erheblichen Mehrwert bietet. In verschiedenen Situationen konnte ich so vermeiden, dass ich Gedanken, die mich beschäftigten, in mich rein fraß. Gerade auch in jüngerer Vergangenheit habe ich gemerkt, dass es helfen kann, mir einen Ruck zu geben: Ich spreche Dinge an, die ich mir wünschen würde, im Glauben, mein Gegenüber würde diese Dinge nicht wollen und es stellt sich heraus, dass diese Person das genauso dachte und es sich nicht anzusprechen traute. Wünsche und Bedürfnisse zu kommunizieren schließt Missverständnisse sicher nicht aus, aber es macht sie weniger wahrscheinlich, als diese Dinge nicht zu äußern.

Dieser offene Umgang mit Kritik und Kommunikation führte bei mir dazu, dass ich die eingangs erwähnte Frage nicht so recht zu beantworten wusste. Ich bekomme nach meinem Kritikverständnis ständig Kritik, da ist es schwer eine ganz bestimmte heraus zu picken. Aber ich glaub, ich bin da gar nicht so unglücklich drüber, denn ich fühle mich mit meinem Umgang mit Kritik ziemlich wohl.

Alina

Polyamorie

Im letzten Jahr hat sich für mich auf vielen Ebenen viel getan. Eine Veränderung, über die ich bisher hier nicht gesprochen habe, ist, dass ich mittlerweile polyamor lebe. Polyamor heißt, dass ich mehrere Beziehungen gleichzeitig führe. Das heißt allerdings nicht, dass ich “fremdgehe” – alle Beteiligten wissen um all meine Beziehungen. Es heißt auch nicht, dass ich in einer offenen Hauptbeziehung lebe und einige “Nebenbeziehungen” führe – für mich sind meine Herzmenschen alle wichtig und ich kann nicht behaupten, eine Beziehung sei wichtiger als eine andere. Sie sind alle verschieden, aber ich hebe nicht eine Beziehung über die anderen.

Nun, das stimmt nicht ganz. Aktuell bin ich aus verschiedenen Gründen nur noch in einer Beziehung. Von drei Trennungen, die ich dieses Jahr hatte, war aber nur bei einer meine Polyamorie der Trennungsgrund, die anderen Trennungen waren aus anderen Gründen nötig. Für mich ist das Experiment “Polyamorie”, das irgendwann Ende letzten Jahres begann, aber bei weitem nicht gescheitert, im Gegenteil hat Polyamorie mein Leben ziemlich bereichert. Aber fangen wir vorne an.

Nachdem Ende 2014 eine Beziehung endete, hatte ich eigentlich geglaubt, eine Weile keine Beziehung zu wollen. Ich wollte mich nicht fest an eine Person binden sondern lieber ausprobieren, was mir in einer Beziehung eigentlich wichtig ist. In dieser Zeit lernte ich die Person kennen, mit der ich bis heute zusammen bin. Auch sie wollte sich eigentlich nicht binden, und so verblieben wir dabei, dass zwischen uns etwas war, das zwar mehr als eine Freundschaft, aber ganz bestimmt weniger als eine Beziehung war. Erst deutlich später gestanden wir uns ein, dass es rückblickend eigentlich schon damals eine Beziehung war, wie wir heute Beziehungen verstehen.

Anfang diesen Jahres lernte ich dann zwei weitere Menschen kennen, die offen für Polyamorie waren und die mir, genau wie die schon genannte Person, unglaublich halfen, als die Depression ihren Höhepunkt erreichte. Irgendwann stellte ich nach und nach fest, wohl für alle diese Menschen Gefühle zu haben, gestand sie mir und ihnen ein und wir fingen an das, was zwischen uns war, als Beziehungen zu bezeichnen. Irgendwie passierte das einfach so. Hätte mir das Mitte 2014 jemand erzählt, ich hätte die Person ausgelacht. Ich hatte früher immer behauptet, ich könne nicht mehr als eine Person gleichzeitig lieben. Stellt sich heraus: Ich lag falsch. Witzig ist da eine Antwort auf ask.fm auf die Frage, ob ich mehrere Personen lieben könne.

Es hat sich dann wie gesagt noch einiges getan. Eine Beziehung ging, eine andere kam und ging und dann endete noch eine Beziehung, sodass ich jetzt doch wieder nur mit der Person zusammen bin, durch die ich Polyamorie überhaupt für mich entdeckt habe. Ich möchte noch einmal dazu sagen: Ich bin mit den drei Menschen, zu denen die Beziehungen zerbrachen, immer noch gut befreundet und nur in einem Fall war die Polyamorie an der Trennung (mit-)schuld. Insgesamt funktioniert für mich Polyamorie sehr gut, auch wenn ich verstehen kann, dass dieses Beziehungskonzept sicher nicht für jede Person etwas ist.

Polyamorie hat definitiv Vor- und Nachteile. Vorteile, die ich daran sehe, sind zum Beispiel, dass ich durch mehr Herzmenschen auch mehr Menschen habe, denen ich mich komplett anvertrauen kann und die für mich da sind, wenn es mir schlecht geht. Ich hab Situationen erlebt, in denen mehrere Herzmenschen mir gleichzeitig etwas Gutes taten und war in den Momenten von positiven Emotionen unglaublich überwältigt. Es ist ja schon ein unbeschreibliches Gefühl, sich von einer Person geliebt zu fühlen, aber dieses Gefühl dann mehrfach gleichzeitig zu empfinden ist unglaublich.

Außerdem ist es mir möglich verschiedene Bedürfnisse, die ich in Beziehungen habe, auf verschiedene Personen zu verteilen. Früher wäre es für mich ein Trennungsgrund gewesen, wenn ich diese Bedürfnisse nicht ausreichend in einer Beziehung stillen konnte, heute ist es das nicht mehr. Wenn mir bewusst wird, dass mir in einer Beziehung etwas fehlt, spreche ich mit meinen Herzmenschen darüber und wenn wir keine Lösung finden, habe ich immer noch die Option, dieses Bedürfnis durch einen andere Beziehung abzudecken. Das mag im ersten Moment unromantisch klingen, aber tatsächlich empfinde ich es genau gegenteilig: Ich kann jetzt Beziehungen, die toll sind, aber in denen mir Dinge fehlen, weiterführen, im Wissen, dass es in Ordnung ist, dieses Bedürfnis durch andere Menschen abdecken zu lassen. Es ist kein Trennungsgrund mehr, wenn Teilaspekte eine Beziehung nicht so laufen, wie ich es mir wünsche.

Umgekehrt bedeutet dies auch, dass ich versuche, den Ansprüchen, die meine Herzmenschen an die Beziehung zu mir stellen, gerecht zu werden. Und mit mehr Beziehungen sind es auch mehr Ansprüche. Mehrere Beziehungen zu führen ist für mich ein größerer Zeitaufwand als eine einzelne, wobei das auch von den Bedürfnissen meiner Herzmenschen abhängt. Wenn ein Herzmensch, so wie ich auch, ein hohen Bedarf an Kommunikation und Austausch hat, fließt dort viel Zeit rein. Mehreren Herzmenschen, die zum Beispiel täglich telefonieren wollen, könnte ich vermutlich nicht gerecht werden. Es gilt also, hier eine Balance zu finden, die für alle Beteiligten funktioniert. Nein, dass ist nicht immer ganz einfach. Definitiv nicht. Das ist Arbeit.

Eine andere Schwierigkeit, mit der ich selbst anfangs heftig zu kämpfen hatte, ist Eifersucht. Nur, weil ich entschieden habe, Polyamorie auszuprobieren, heißt das nicht, dass alle Eifersucht wie weggeblasen ist. Tatsächlich ist eher das Gegenteil der Fall. Während ich in einzelnen Beziehungen eigentlich nie Probleme mit Eifersucht hatte, erlebte ich sie Anfang des Jahres ziemlich heftig. Zu dem Zeitpunkt realisierte ich zum ersten Mal, dass ein Herzmensch selbst mit einem Menschen zusammen war, für den er ähnlich viel wie für mich empfand. Selbst als ich nach und nach begriff, dass dies nicht bedeutete, dass mein Platz in seinem Herzen gefährdet war, nagte das Wissen sehr an mir. Und das, obwohl ich ja selbst in mehreren Beziehung war. Doppelmoral? Definitiv. Aber auch dieses Wissen half mir nicht wirklich, mich mit diesen Gefühlen zu arrangieren.

Was mir aber half: Drüber reden. Mit meinem Herzmenschen und dem seinen. Wir versuchten gemeinsam zu ergründen, woher die Gefühle kommen und Kompromisse zu finden, die mir den Umgang mit der Eifersucht leichter machten. Mein Ziel war dabei nie, den beiden etwas grundsätzlich zu verbieten, sondern mich an den Gedanken heran zu tasten, dass auch die beiden in einer Beziehung sind. Die meisten Kompromisse, insbesondere die, bei denen die beiden deutlich auf mich zu gekommen sind, waren nicht dafür gedacht, für alle Ewigkeit zu halten, sondern primär dafür da, mir etwas “Schonfrist” zu geben.

Mittlerweile komme ich mit meiner Eifersucht deutlich besser zurecht. Weg ist sie nicht und ich glaube auch nicht, dass es möglich ist, sie verschwinden zu lassen, aber ich habe mit ihr umzugehen gelernt. Statt mich von ihr zerfressen zu lassen tu ich Dinge, die mir Freude bereiten. Oft sind das dann solche Dinge, von denen ich weiß, dass der Herzmenschen, um den sich meine Gefühle gerade drehen, wenig anfangen kann. Ich programmiere zum Beispiel etwas, oder spiele Videospiele, die besagtem Herzmenschen nicht gefallen. Für mich funktioniert das ziemlich gut, um der Eifersucht einfach aus dem Weg zu gehen. Sie ist dann zwar da, aber ich lasse sie einfach sitzen und kümmere mich nicht um sie.

Allgemein ist in polyamoren Beziehungen Kommunikation in meinen Augen noch wichtiger als in Zweierbeziehungen. Es gibt mehr Beteiligte, auf die Acht gegeben werden muss, damit es nicht zu ungesunden Dynamiken kommt. Alle Beteiligten soll es schließlich gut damit gehen. Ich wiederhole noch einmal: Das ist Arbeit.

Nichts desto trotz überwiegen für mich die Vorteile von Polyamorie. Ich fühle mich so einfach super wohl. Ich finde es daher ziemlich schade, dass offene Beziehungskonzepte in der Gesellschaft einen eher schlechten Stand haben. Wenn eins sich Vor- und Nachteile klar macht und bereit ist, Arbeit zu investieren, kann Polyamorie für viele etwas unglaublich tolles und schönes sein, da ist es schade, dass sie so selten überhaupt erwähnt wird und oft mit Ablehnung auf sie reagiert wird.

Alina

Ein wenig Geschichte, Teil 6: Vieles wird anders

Im heutigen Artikel der “Ein wenig Geschichte”-Reihe möchte ich auf meine Vornamens- und Personenstandsänderung sowie den Beginn meiner Hormontherapie eingehen. Dinge also, die schon im Verlauf der Entwicklungen hier im Blog dokumentiert wurden, zu denen ich aber noch keinen richtigen Rückblick geschrieben habe. Hier findet ihr Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4 und Teil 5.

Irgendwann 2013 fragte ich meine Therapeutin, wie es eigentlich um Hormone stünde. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht gesichert, was die Hormone wirklich bewirken könnten und was nicht und war mir nicht so ganz sicher, ob ich welche wollen würde. Wenn zumindest vieles von dem, was ich gehört hatte, stimmen würde, wären sie für mich schon ziemlich interessant, aber ich wollte mich nicht auf Halbwissen verlassen.

Mein Therapeutin selbst konnte mir meine Fragen zu dem Thema nicht beantworten und riet mir, mich an eine Endokrinologin wenden, die zu dem Zeitpunkt in Karlsruhe die wohl bekannteste und beliebteste Endokrinologin mit Kenntnissen im Bereich Transsexualität war. Ich ließ mir dort einen Termin geben, bei dem auch direkt Blut abgenommen wurde, um zu meinen Hormonspiegel zu prüfen. Dort konnte ich dann auch nachfragen, welche Auswirkungen eine Hormontherapie denn nun tatsächlich hätte. Ich entschied, dass die Wirkungen für mich deutlich schwerer wogen als die potentiellen Nebenwirkungen und bekam von meiner Therapeutin für den nächsten Termin bei meiner Endokrinologin ein Indikationsschreiben, welches für den Beginn der Behandlung nötig war.

Die Behandlung begann dann Ende Sommer 2013 und wird vermutlich mein ganzes Leben lang andauern. Die erste Zeit war scheußlich, da die Hormone auch psychisch eine Art zweite Pubertät auslösten und eines der Medikamente anfangs zu hoch dosiert war. Ich erlag einem absolutem Gefühlschaos. Nach Reduktion der Dosis ging es mir deutlich besser, trotzdem war die Umstellungsphase… interessant. Nicht nur mein Körper veränderte sich, ich sehe die Welt auch seit dem ein bisschen aus anderen Augen, reagiere manchmal anders als früher. Das Medikament, dessen hohe Dosis das Gefühlschaos auslöste ist übrigens das, welches ich mittlerweile komplett gewechselt habe, da es bei mir Depressionen auslöste, die Anfang dieses Jahres damit gipfelten, dass ich mich in psychiatrische Behandlung begab und immer wieder sogar mit Suizidgedanken zu kämpfen hatte.

Mittlerweile muss ich sagen: Die Depression war schlimm genug, dass es für mich besser gewesen wäre, die Hormone abzusetzen, hätte ich keine Alternative gefunden. Sie haben meine Lebensqualität massiv verschlechtert. Seit dies aber wieder behoben ist, bin ich rundum glücklich und zufrieden mit der Hormontherapie. Ich fühle mich wohler in meinem Körper und auch die psychischen Änderungen begrüße ich.

Ende 2013 beantragte ich dann die Änderung meines Vornamens und meiner Geschlechtszugehörigkeit. Meistens spreche ich nur von der “Namensänderung”, weil das Wort auch so schon lang genug ist. Mit der Namensänderung ging einher, dass ich zwei psychologische Gutachten brauchte. Grundsätzlich ist es so, dass das Amtsgericht die Gutachter benennt, aber eins kann dem Gericht GutachterNinnen vorschlagen. Ich hörte mich also etwas um, welche GutachterNinnen in der Umgebung umgänglich sind und erfuhr zwei Namen, die ich dann auch in meinem Antrag nannte. Die GutachterNinnen wurden genehmigt, es ging daran, mit diesen Termine abzumachen.

Die Sitzungen bei den GutachterNinnen gingen jeweils etwa zwei Stunden und ich wurde über verschiedenste Dinge ausgefragt. Am Ende hieß es jeweils, dass es noch dauern würde, bis die Gutachten auch wirklich fertig sein würden und es könnte sein, dass doch noch weitere Sitzungen nötig sein würden, um die Entscheidung zu treffen. Ich hatte Glück, dies war nicht der Fall. Nach einiger Zeit erhielt ich postalisch die Gutachten und noch etwas später eine Vorladung zum Amtsgericht. Dort wurde ich ein letztes Mal darüber aufgeklärt, was die Namensänderung für Konsequenzen hat. Nachdem ich bestätigte, dass diese mir bekannt sind, bekam ich sogar direkt bereits einen vorläufigen Beschluss über die Änderung. Wenige Wochen später kam der endgültige Beschluss per Post. Das war im April 2014.

Für mich ist die Namensänderung einer der wichtigsten Schritte auf meinem Weg gewesen. Es fühlt sich so unglaublich richtig an, endlich auch offizielle Dokumente guten Gewissens mit diesem Namen versehen zu können. Ich muss niemanden mehr erklären, dass in meinen Unterlagen zwar ein männlicher Name steht, ich aber bitte trotzdem Alina genannt werden möchte, denn in den Unterlagen steht jetzt Alina. Wie groß die Last war, die damit von mir abfiel, wurde mir erst nach und nach bewusst.

Für die bürokratischen Hintergründe zum Thema Namensänderung und Hormone, kann ich die entsprechenden Unterseiten meines transsexuellen Weges empfehlen. Außerdem sind vielleicht auch die Tags Hormone und Namensänderung interessant.

Ein Teil fehlt noch in der Reihe “Ein bisschen Geschichte” um im Dezember 2015 anzukommen, nämlich der Teil darüber, wie sich mein Denken in dem letzten Jahr verändert hat. Ich betrachte meine Transsexualität mittlerweile noch mal aus anderen Augen. Um das wirklich erklären zu können, muss ich erst ein, zwei weitere Artikel schreiben, auf die ich dann im siebten Teil der Reihe verweisen kann. Ich hoffe, dass klappt noch alles im Rahmen des Adventskalenders.

Alina

Löffel

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Depressionen

Heute ist so ein Tag, an dem ich, obwohl ich meine Depressionen hinter mir habe, merke, dass mir langsam die Löffel ausgehen.

“Löffel?”, höre ich euch fragen. Ja, Löffel.

Die Spoon Theory ist ein Artikel, in dem eine junge Frau beschreibt, wie sie ihrer besten Freundin versucht zu erklären, wie sich ein Leben mit ihrer Krankheit anfühlt. Sie greift spontan zu einer Analogie – die beiden sitzen gerade in einem Restaurant und sie sammelt einige Löffel zusammen und gibt ihrer Freundin diese. Dann lässt sie sie aufzählen, was sie an einem normalen Tag für Erledigungen zu tun hat. Bereits als ihre Freundin ihr sagt, dass sie aufsteht, sich fertig macht und zur Arbeit geht, unterbricht sie sie. Um das alles zu tun, müsse sie erst einmal aus dem Bett kommen. Duschen. Sich anziehen. Ihre Medikamente nehmen. Und jede dieser Tätigkeiten kosten Löffel. Bevor sie überhaupt zur Arbeit aufbrechen kann, sind von zwölf Löffeln nur noch sechs übrig.

Sie erklärt ihrer Freundin, dass es manchmal möglich ist, vom nächsten Tag schon Löffel zu “borgen”, doch das bedeutet, dass der nächste Tag noch härter wird. Und was, wenn morgen etwas Unvorhergesehenes passiert? Sind dann überhaupt noch genug Löffel da, um das durchzustehen?

Die Spoon Theory ist meiner Meinung nach ein ziemlich gutes Sinnbild dafür, wie auch ich mich mit meiner Depression gefühlt habe – ich hatte konstant nur knapp genug Löffel, um über den Tag zu kommen, wenn überhaupt. Selten hab ich mal ein paar Löffel zusätzlich sammeln können, durch Aktivitäten, die mir guttaten. Aber niemals konnte das ewig halten. Und jetzt, wo ich diese Theorie kenne, merke ich, dass ich auch heute nicht endlos viele Löffel habe. Ich hab jetzt rund eineinhalb stressige Wochen hinter mir. Es war durchaus eine schöne Zeit, die ich hatte, aber ich bin froh heute Abend endlich wieder etwas länger Zeit nur für mich zu haben, um mich zu erholen. Ich hab gemerkt, dass ich die letzten Tage über immer reizbarer und müder wurde. Aber was ich jetzt erlebe ist harmlos im Gegensatz dazu, wie es mir in der ersten Jahreshälfte ging.

Mittlerweile frage ich Leute oft nicht mehr nur, ob sie Zeit und Lust haben, etwas mit mir zu unternehmen, sondern auch, ob die Löffel dafür da sind. Ich kenne mittlerweile einige Leute, deren Löffel knapp bemessen sind und auch schöne Dinge können durchaus Löffel kosten. Skype-Gespräche, gemeinsame Ausflüge, auch diese Dinge können an schlechten Tagen mehr Löffel fressen als sie generieren. Es macht zwar Spaß, aber es ist auch anstrengend.

Die Löffeltheorie ist für mich nicht absolut perfekt. Ich merke, dass für mich selbst nicht alles nur ein Plus oder ein Minus an Löffeln bedeutet, die Zusammenhänge sind da komplexer. Aber um zu veranschaulichen, wie sich so etwas anfühlt, ist die Theorie meiner Meinung nach ziemlich gut.

Alina

Twitter, Twitch und co

Während ich auf Twitter immer wieder auf diesen Blog verweise, erwähne ich hier meistens nur am Rande, dass ich auch abseits dieses Blogs ziemlich aktiv im Internet bin. Heute möchte ich auch diese Rückrichtung abdecken.

Twitter und Twitch begannen für mich damit, dass ich mir vor rund drei Jahren einen Account auf Twitch anlegte: twitch.tv/grufty (oder noch kürzer: grufty.tv). Twitch ist eine Plattform für Livestreams. In aller Regel werden dort Videospiele gestreamt, also Bild und Ton ins Internet übertragen und jedmensch, dier auf der Seite ist, kann zusehen. Meistens wird dazu noch über ein Mikrofon ein Live-Kommentar aufgenommen und mit ausgestrahlt, manchmal wird dabei auch die Webcam mit abgegriffen, um die Reaktionen der streamenden Person verfolgen zu können. Diese ist dabei nicht nur SpielerNin, sondern auch KommentatorNin und EntertainerNin. Große StreamerNinnen können heutzutage nur mit solchen Streams ihren Lebensunterhalt sichern.

In der Zeit, als ich Twitch entdeckte, war ich gerade an der Entwicklung eines Videospiels beteiligt. Ich kam gerade an einen toten Punkt, an dem die Entwicklung für mich frustrierend wurde, da ich an einem großen, komplexem System arbeitete und das Team mir wenig Feedback geben konnte. Ich entschied mich auszuprobieren, ob ich in Livestreams mehr Feedback bekommen würde und begann nach einem Test-Wochenende, welches gut lief, tatsächlich regelmäßig die Arbeit an diesem Projekt zu streamen. Obwohl die meisten Zuschauer wenig von dem verstanden, was ich tat, waren sie von den Zwischenergebnissen begeistert und schauten die Streams regelmäßig, was meiner Motivation unglaublich gut tat. Bald begann ich, nicht nur die Spielentwicklung zu streamen, sondern auch “klassische” Videospielestreams abzuhalten. Ich hatte das Glück, mich mit einigen deutlich größeren Streamer anzufreunden, die meine Streams verbreiteten und meine Zielgruppe deutlich erweiterten. In dieser Zeit kam ich das erste Mal mit Twitter in Berührung.

Twitter ist eine Art Kurznachrichten-Soziales-Netzwerk. Auf Twitter kann eins beliebigen Accounts folgen und bekommt ab dann auf der eigenen Startseite alle Kurznachrichten, genannt Tweets, der Personen zu sehen, denen eins folgt. Eins kann natürlich auch selbst diese Nachrichten schreiben und eigene Follower gewinnen. Was Twitter besonders macht, ist, dass Tweets auf 140 Zeichen begrenzt sind. Nachdem meine Streams hin und wieder von größeren Streamern auf Twitter angekündigt wurden, entschloss ich mich, twitter.com/die_grufty an zu legen. Dort schreibe ich bis heute vor allem über meine Streams, seltener auch einmal über Videospiele(entwicklung) allgemein.

Mit der Zeit wurden meine Streams größer und mein Twitteraccount bekannter. Gerade Twitter wurde viel von meiner neu begründeten Community genutzt, um mit mir zu kommunizieren, weshalb ich ziemlich bald einen zweiten Account nur dafür eröffnete, um dort privateren Kontakt zu meiner Community zu halten: twitter.com/andere_grufty. Dort schreibe ich deutlich mehr als auf diesem Blog, dafür auch deutlich kürzere Beiträge und noch ungeordneter als ich hier schreibe. Die Themen Videospiele, Uni, Transgender, Feminismus und diverse weitere schneide ich dort an, albere aber auch gern einfach herum.

Ich besitze noch einige weitere, spezifischere Twitter-Accounts, auf die ich Themen ausgelagert habe, die ich immer wieder anschneide, von denen ich aber möchte, dass Follower die Wahl haben, ob sie das Thema interessiert. Allen voran wäre da twitter.com/schreibe_grufty zu nennen, wo ich über’s Schreiben schreibe, ins Besondere verschiedene Kurzgeschichten und einen Roman.

Interessant mag auch noch ask.fm/grufty sein. Ask ist eine Plattform, auf der Menschen Fragen an andere Menschen, die dort einen Account haben, stellen können, die diese dann hoffentlich irgendwann beantworten. Das tolle ist, dass eins keinen Account braucht, um dort Fragen zu stellen. Aber das Problem an Ask ist, dass eins dort keinen Account braucht, um Fragen zu stellen. Ja, das ist die gleiche Begründung. Glücklicherweise hab ich aber bisher nicht erlebt, dass ich dort zu viele Unsinnsfragen bekommen habe. Oder der Unsinnslevel der Fragen war auf einem Niveau, welches ich unterhaltsam fand.

Das ist so der Rundumschlag, auf welchen Plattformen ich abseits meines Blogs aktiv bin. Falls jemand dadurch neugierig wurde, schaut gern vorbei, ich freue mich jedes Mal!

Alina

Update: Offenbar sind auf ask.fm doch mittlerweile keine Fragen ohne Account mehr erlaubt, allerdings kann eins mit einem Account auch anonyme Fragen verschicken. 

Rückblick auf meine Zeit in Therapie

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Depressionen (erwähnt)

Ich bin seit Ende 2012 in Therapie, anfangs vorwiegend als Stütze im Bezug auf meine damals noch recht frisch erkannte Transsexualität und begleitend zur später folgenden Hormontherapie. Diesen Monat werde ich meine vorerst letzte Sitzung haben und finde, es ist an der Zeit, darüber zu schreiben, wie ich die Therapie wahrgenommen habe.

Als ich mit der Therapie anfing, war mich nicht klar, wie viele verschiedene Therapieformen es gibt und dass TherapeutiNinnen, PsychologNinnen und PsychiaterNinnen unterschiedliche Aufgaben haben. Das war für mich alles Synonym. Bis heute habe ich die Unterschiede eher im Gefühl, als sie wirklich zu kennen. TherapeutNinnen sind offenbar eher die Leute, mit denen eins regelmäßig Probleme bespricht. PsychologNinnen stellen Diagnosen und analysieren, PsychiaterNinnen verschreiben Medikamente. Es scheint nicht ganz unüblich zu sein, dass einzelne Personen mehrere Rollen wahrnehmen, da die Felder mindestens nah beieinander liegen, wenn sie nicht sogar ineinander über fließen. Wie gesagt, das ist keine offizielle Abgrenzung sondern vor Allem mein Gefühl, hat mir aber zum Verständnis viel geholfen. Es gibt dann noch weitere Unterteilungen, nicht alle TherapeutNinnen sind psychologische PsychotherapeutNinnen. Ich weiß da aber im Wesentlichen bis heute nur, dass darin verschlüsselt ist, was genau die Person studiert hat und wie lange sie noch gelernt hat und das meine Therapeutin als psychologische Psychotherapeutin gut zu mir gepasst hat. Übersichtlich geht meiner Meinung nach anders.

Die Unübersichtlichkeit hatte auch anfangs zur Folge, dass ich mir gar nicht sicher war, was ich eigentlich bräuchte und wofür: Für die begleitende Therapie, die mir dann auch ermöglichte, ein Indikationsschreiben für die Hormone zu bekommen, war meine Therapeutin die richtige Anlaufstelle. Für den Antrag auf Namensänderung brauchte ich wiederum zwei PsychologNinnen.

Ich finde diese Unübersichtlichkeit tatsächlich problematisch. Für mich selbst war es damals so, dass es ein Haufen Arbeit war, das alles soweit zu verstehen, dass ich wusste, an wen ich mich wenden konnte. Wenn nun ein Mensch in einer schwierigen Situation in seinem Leben Hilfe sucht, sollte nicht erwartet werden, dass dieser Mensche diese Arbeit noch erledigen kann, sie ist im Bedarfsfall ein unglaubliches Hindernis.

Die Therapie selbst war für mich allen voran eine interessante Erfahrung. Ich muss zugeben, nicht immer ganz mit meiner Therapeutin zufrieden gewesen zu sein. Insbesondere, wenn es mir mit meinen Depressionen schlecht ging, konnte sie mir wenig nützliche Ratschläge geben beziehungsweise ich hab den Eindruck, ihr war nicht immer klar, wie schlecht es mir zwischendurch ging. Bedenkt eins aber, dass ich dort ja war, um eine Stütze im Falle von Problemen mit meiner Transsexualität zu haben, kann ich ihr das eigentlich nicht verübeln. Etwas schade fand ich allerdings, dass sie wenig vertraut mit Themen wie zum Beispiel der Namensänderung war. Klar, sie ist keine Beratungsstelle, aber da sie auch vielen trans Menschen hilft, hätte ich erwartet, dass sie etwas mehr Wissen über diese Themen hätte als ich es damals hatte. Ich musste mir alle Infos immer online zusammensuchen oder befreundete trans Menschen fragen.

Insgesamt kann ich schwer einschätzen, wie viel mir die Therapie gebracht hat. Ich hatte nie das Gefühl, zu große Probleme aufgrund meiner Transsexualität zu haben und nahm die Therapie vor Allem als Absicherung wahr, falls doch Probleme aufkämen. Ich kann aber nicht behaupten unzufrieden zu sein. Hin und wieder haben die Gespräche mir geholfen, Gedanken zu sortieren, die sich nur im Gespräch sortieren ließen. Dafür hätten mir vermutlich oft auch Gespräche mit anderen Menschen geholfen, aber im Therapieverhältnis hab ich da doch noch etwas anders über einige Themen sprechen können als mit Freunden.

Anfang des Jahres war ich dann ja auch noch 5 Wochen in einer psychiatrischen Tagesklinik. Ich habe darüber im verlinkten Post schon etwas geschrieben, aber das Fazit der Zeit war: Es hat mir sehr geholfen. Ich war dort aufgrund meiner immer schlimmer werdenden Depressionen und wurde dort aus meinem kaum noch zu ertragenden Alltag heraus gerissen. Ich verbrachte meine Tage dort und nur meine Abende und Nächte zu Hause, was mir schon allein gut tat. Dann lernte ich dort mit Problemen besser umzugehen, lernte, mehr auf mich selbst zu achten, deutlicher Bedürfnisse und Wünsche zu kommunizieren, Probleme anzusprechen. Den Stein für einige Fähigkeiten brauchte tatsächlich bereits vor der Tagesklinik eine Beziehung ins Rollen, aber in der Tagesklinik verbesserte ich sie noch deutlich. Ich bin immer noch sehr glücklich drüber, diese Dinge gelernt zu haben, denn sie sind nicht nur in der Depression nützlich, sondern allgemein im Umgang mit schwierigen Situationen.

Aber so gut mir die Tagesklinik tat: Das Individuum kam dort ziemlich kurz. Ich hatte das Glück, dass mir das Therapieprogramm dort viel brachte, ich weiß aber von einigen Menschen, die mit dem Programm nichts anfangen konnten. Da es nicht individualisierbar war, brachte sie die Tagesklinik daher nicht voran. Weiterhin ließ sich ein Termin nur telefonisch ausmachen. Da ich insbesondere während der Depression ja ziemliche Probleme mit Telefonieren hatte, ist es eigentlich einem guten Freund zu verdanken, dass ich überhaupt einen Platz bekommen habe. Er hat mich in einem Moment, in dem es mir einigermaßen gut ging, genug dazu gedrängt, dort anzurufen, dass ich es tat. (Gedrängt ist dabei nicht als Zwang zu verstehen; ich hab ihn in einem schlechten Moment darum gebeten, mich in einem guten Moment davon zu überzeugen, anzurufen.)

Alles in allem hab ich sehr positive Erfahrung mit Therapien gemacht, muss allerdings sagen, dass es im Bedarfsfall verdammt schwer ist Hilfe zu finden, die dann auch noch passen muss. Eigentlich viel zu schwer. Wenn eins diese Hilfe aber erst einmal gefunden hat, kann das unglaublich nützlich sein und gut tun.