Ein wenig Geschichte, Teil 4 (Finale?): Lernen, zu sich zu stehen

Contentwarning: Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen: Homofeindlichkeit, Transfeindlichkeit

(Hier geht’s zu den Teilen 1, 2 und 3)

Teil 3 meiner Geschichte endete, als meine letzte Beziehung Anfang letzten Jahres begann.  Seit dem hat sich viel geändert. Dadurch dass meine damalige Freundin generell sehr offen mit dem Thema Transidentität umging, konnte ich mich wesentlich freier entfalten, als in der vorherigen Beziehung immer wieder outete ich mich vor einzelnen Leuten und lernte so sogar eine Frau-zu-Mann-Transgender kennen. Nicht zuletzt davon, endlich jemanden zum Austauschen über Gedanken und Erfahrungen gefunden zu haben, beflügelt, fing ich an, immer offener zu mir zu stehen, glaube aber auch weiterhin, ich sei Transvestit, nicht Transsexuell.

Ich outete mich recht schnell gegenüber engen Freunden, zu denen die räumliche Entfernung groß war (z.B. einer Freundin aus Aachen oder einem Freund aus Wien), da der Kontakt zu diesen seit jeher schwierig war. Sollten sie ablehnend auf mich reagieren und der Kontakt abbrechen, würde sich nicht allzu viel ändern, da man sich eh selten sah. Außerdem glaubte ich, dass sie diese neue Information nicht so sehr aus der Bahn werfen würde, einfach weil sie mich ja nicht oft sehen würden. Tatsächlich waren die Reaktionen aber auch weiterhin nie negativ. Vielleicht überrascht und vielleicht im ersten Moment etwas überfordert, aber nie ablehnend.

Einige Zeit später outete ich mich dann endlich vor einer Hand voll Leuten, denen gegenüber ich mich schon länger outen wollte, aber nie die Überleitung geschafft hatte. Die Überleitung die ich dann verwendete, war mein damaliger Küchenchef: Dieser war und ist wahrscheinlich immer noch homo- und transfeindlich und hätte mir gegenüber direkt geäußert, wie schrecklich er solche Personen finden würde. Tatsächlich sagte er sogar sinngemäß, dass er jede Person, die nicht seiner Norm-Vorstellung (hetero und cis)  entspricht, am liebsten erschießen würde. Meine Überleitung bestand dann darin, dies zu erzählen und nebenher fallen zu lassen, dass ich mich davon ja angesprochen gefühlt hab, auch wenn er das nicht wusste (und bis heute nicht weiß). Natürlich wurde nachgefragt, wie ich das meinen würde und ich erzählte, dass ich Transvestit bin. Die besagten Personen, vor denen ich mich so outete waren die bereits in anderen Posts erwähnten gute Freundin, der Kleine und der Große.

Was danach folgte kann man hier im Blog gut verfolgen. Rückblickend waren folgende Dinge prägend für mich: Der erste Ausflug als Alina, mit meinen gerade genannten Freunden, beziehungsweise schon die Ankündigung dessen, denn ich begann in Frage zu stellen, ob ich wirklich Transvestit bin. Ich merkte, dass ich dem Ausflug mehr entgegen fieberte, als ich erwartet hatte, dass er mir sehr, sehr wichtig war. Als der Ausflug selbst sich dann so normal für mich anfühlte, als sei ich als Mann unterwegs, gab mir dann noch mehr Stoff zum Nachdenken.

Dann das M’era Luna als Alina, zusammen mit der Gewandeten. Das erste Mal, dass ich in einer großen Menschenmenge als Alina anzutreffen war. Das ich zwischendurch einen Security-Mann, der mich abtasten sollte, ziemlich irritiert habe, da er erst glaubte, eine Frau vor sich zu haben, und vor Allem, dass ich auch hier nirgends auf Ablehnung stieß, ließ mich zukünftig mutiger werden und ich begann den Wunsch zu entwickeln, mich endlich offen als Alina zu bewegen. Doch traute ich mich bis zuletzt nicht, dies in meiner Heimat auszuleben. Auf dem Dorf sprechen sich interessante Informationen rasend schnell rum, schließlich kennt jeder jeden. Nimmt man dann hinzu, dass man hier in einer eigenen kleinen Welt lebt, in der Mann Vielfalt und erst recht Transgender fast nur aus dem Fernsehen kennt, wäre Ablehnung fast sicher gewesen und ich war noch lange nicht so weit, dies einfach weg zu stecken.

Dann mein Geburtstag, der mir zeigte, dass ich in meinem Freundeskreis grenzenlosen Rückhalt habe. Niemand reagierte auf mein Outing auch nur neutral, alle freuten sich, dass ich mich ihnen geöffnet habe und waren gespannt darauf, mich einmal als Alina zu erleben.

Schließlich der Umzug, durch den mir endlich ermöglicht wurde, was ich seit dem ersten Ausflug als Alina, spätestens seit dem M’era Luna wünschte: Ich fing an, auch meinen Alltag als Alina zu bestreiten. Nicht täglich, aber immer, wenn ich mich danach fühlte.

Und nun, nun sitz ich hier im Norden, freue mich, dass Weihnachten ist, ich mittlerweile so gefestigt in meinem Umgang mit mir selbst bin, dass ich mich getraut habe, mit meinen Eltern hier auf den Weihnachtsmarkt zu gehen, und ich nächste Woche auf dem Treffen in Bremen auch einige Tage als Alina verbringen werde.

Und nicht zu Letzt freue ich mich, dass ich mit meinem Blog Leute erreiche. Täglich habe ich zwischen 15 und 30 Besucher und bin mir sehr sicher, dass dies längst nicht alles Leute sind, die ich persönlich kenne. Es freut mich sehr, dass ich scheinbar von Dingen berichte, die nicht nur mich und meine Freunde interessieren, sondern noch einige weitere Menschen.

Ich wünsche euch allen ein frohes Fest und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Dies ist der letzte Post von mir in diesem Jahr, da es auf dem Treffen nächste Woche kein Internet gibt, aber ich werde sicher Anfang nächsten Jahres wieder einiges zu berichten wissen.

Alina